Mein lieber mein Vater

Briefwechsel

Junger Hamburger wünscht Bekanntschaft mit nettem Mädel.

Hamburg, den 2.8.1949

“U 2798“

Ich weiß nicht, ob es heute noch einen Sinn hat, Ihnen zu schreiben. Sie werden seit Sonnabend auf Ihre Offerte sicher laufend Zuschriften erhalten haben. Soviel wahrscheinlich, daß Sie niemals alle beantworten können und darum die jetzigen Briefe nur noch in den Papierkorb wandern lassen werden.

Aber selbst wenn ich keine Antwort erhalte, werde ich nicht gleich an gebrochenem Herzen zugrundegehen. Man sagt ja, daß sich die Berliner nicht unterkriegen lassen, und ich gehör doch so halb mit dazu. Wenn auch Potsdam geographisch nicht mehr zu Berlin gehört, obwohl man mit der S-Bahn nur 25 Minuten bis zum Kurfürstendamm fährt, so kann ich hier in Hamburg niemandem die Überzeugung nehmen, eine Berlinerin zu sein.

Ich bin nun schon seit dem 17.9.48 in Hamburg, fühle mich aber noch immer ein bißchen sehr allein. Aus diesem Grund habe ich auch den Entschluß gefaßt, Ihre Anzeige zu beantworten.

Und nun die Personalien:

21 Jahre, 1.58 m, blaugraue Augen, dunkelblondes Haar, musik-, natur- und sportliebend, vielseitig interessiert. Ansonsten ziemlich harmlos.

Also nochmals, ich bin Ihnen wirklich nicht böse, wenn Sie diesen Brief zum Feueranmachen benutzen. Bei diesem Wetter kann man schon eine warme Behausung vertragen.

Es grüßt

Hbg. Hellbrook

am 7.8.49

Sehr geehrtes Fräulein Hilku Delakowitz!

Sie wissen nicht, ob es einen Sinn hatte, auf meine Anzeige zu schreiben. Nun, wie Sie sehen ist Ihr Brief nicht in den Papierkorb gewandert. Im Gegenteil, er hat mir recht gut gefallen.

Auf alle Ihre guten Seiten, die sich aus Ihren Zeilen entnehmen lassen, möchte ich lieber noch nicht eingehen. Und es freut mich, daß Sie mir, den Sie garnicht kennen, nicht böse sind, wie Sie schreiben. Wie sind Sie mir dann? Nun, Spaß beiseite, ich bin 23 Jahre alt, 172 cm groß, 2 x mit Erfolg geimpft (außer beim „Soldatspielen“), sonst aber gesund. Ein offenes Wort gestatten Sie mir bitte noch, bei einer evt. späteren gemeinsamen Freizeitgestaltung würde ich damit rechnen müssen, daß Sie sich an den Kosten für Kino-Besuche usw. beteiligen werden.

Sollten Sie weiterhin den Wunsch haben, mich kennen zu lernen, würde ich mich freuen, ausführlich von Ihnen zu hören und würde es begrüßen, wenn Sie ein Bild beilegen würden. (Dieses erhalten Sie selbstverständlich sofort zurück!)

Mit besten Grüßen!

Diego Bangis

Hamburg, den 10.8.49

Lieber unbekannter Diego Bangis!

Haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihren Brief. Leider muß ich Sie enttäuschen; lügen kann ich nicht, ich sage immer und unter allen Umständen die Wahrheit. Wenn es auch manchmal nicht ganz leicht ist.

Also: Aus unserer gemeinsamen Freizeitgestaltung wird nichts. Nicht etwa darum, weil ich mein Kinogeld selber bezahlen müßte (das wäre ganz selbstverständlich), sondern ganz einfach darum, weil ich am Sonntag am Strand einen Herrn kennengelernt habe, der mich zu Bootsfahrten und dergleichen eingeladen hat. Somit ist meine freie Zeit ausgefüllt.

Und das müssen Sie zugeben: an zwei Richtungen kann man sich nicht beteiligen.

Es ist eigentlich schade, daß unsere Freundschaft bereits ihr Ende gefunden hat, bevor sie überhaupt begonnen. Über Ihren Brief habe ich mich sehr gefreut, er ist so nett, so natürlich geschrieben, aber wie gesagt, Zerstreuung nach einer Richtung genügt mir.

Indem ich Ihnen nochmals für Ihren Brief danke wünsche ich Ihnen, daß Sie unter den übrigen Zuschriften das richtige Mädchen für sich herausfinden und grüße Sie.

Hellbrook, am 11.8.49

Sehr geehrtes Fräulein Delakowitz!

Halten Sie mich bitte nicht für aufdringlich, wenn gleich es fast Ihr Recht wäre!

Ich möchte Ihnen nur mitteilen, daß Ihr 2. Brief heute hier eintraf, den Weg ging, den Sie für Ihren ersten Brief vermutet hatten und daß es mir hinterher irgendwie leid tat.

Für Ihre Aufklärung, oder besser gesagt, Aufrichtigkeit in Ihren Zeilen danke ich Ihnen und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft!

Sollten Sie trotz Ihrer jetzt ausgefüllten Freizeit einmal den Wunsch haben, mit Gleichgesinnten in Verbindung zu treten, so gestatte ich Ihnen jederzeit, dieses ohne Rücksicht auf die dazwischenliegende Zeit mit mir zu tun, wovon Sie hoffentlich keinen Gebrauch machen müssen!

Ihr Diego Bangis

Hbg. 33 – Hellbrook, am 16.8.

Liebe Hilku!

Ich freue mich, so bald wieder von Ihnen gehört zu haben und danke Ihnen für Ihren Brief vom Sonntag. Daß Sie Angst haben, kann ich mir leider nicht recht vorstellen; denn den Mut, den Sie immerhin mit Ihrem Besuch, den Ihnen, nebenbei bemerkt, niemand übelnimmt, bewiesen haben, hätte ich selbst leider nicht aufgebracht.

Mein Urteil brauchen Sie noch nicht zu fürchten, denn wir kennen uns ja leider noch immer nicht. Daß Sie mich am Sonntag nicht angetroffen haben, tut mir zwar sehr leid, Sie ersehen aber daraus, daß man im Allgemeinen nicht unangemeldet Besuche machen soll! Nicht böse sein, bitte! Ich hoffe doch sehr, daß Sie inzwischen, wenigstens nachts, Ruhe gefunden haben, denn ich würde es sehr bedauern, wenn Sie bis zum Eintreffen dieses Briefes ruhelos gewartet hätten, wie Sie schrieben.

Auf die Gefahr hin, daß Sie mich nicht erkennen werden, schicke ich Ihnen ein Bild von mir aus dem Jahre 1945 mit, es ist nebenbei bemerkt kein sehr schönes Exemplar (das Bild!). Ein neueres besitze ich leider noch nicht.

Ich sagte, wiedererkennen, das setzt voraus, daß wir uns irgendwo und wann treffen müssen. Wenn ich nur wüßte? Sonnabend? 20.8.? aber wo? Mir fällt immer noch nichts ein! Sagen wir immer 18 Uhr?

Gründen ein Treffen wie oben vorgeschlagen nicht möglich, rufen Sie mich bitte noch vorher an! 25 12 55 und 56 Dietrich! 7,30 – bis – 16,30, sonnabends bis 13,30 aber bitte nicht unnötig telefonieren! Ich hoffe, daß soweit alles klar ist und wünsche Ihnen bis Sonnabend alles Gute, beste Grüße und auf Wiedersehen.

Ihr

Diego Bangis

Hamburg, den 18. August 1949

Lieber unbekannter Diego!

Bitte nicht böse sei, daß ich Ihnen so unpersönlich mit der Maschine schreibe. Aber ich will Ihnen ja nur ganz schnell mitteilen, daß ich mich über Ihren Brief sehr gefreut habe und daß ich am Sonnabend pünktlich erscheinen werde.

Für das Bild danke ich Ihnen. Meinen Sie wirklich, daß ich Sie danach erkennen kann? Ich will Ihnen zur Vorsicht lieber noch ein Bild von mir mitschicken. Doch Sie müssen es mir am Sonnabend wieder zurückgeben, denn es ist ein Andenken an zu Hause. Sie werden ja wohl herausfinden wer ich bin, nicht wahr? Das Bild ist vom Juli 1948 und stellt meinen ehemaligen Chef und Chefin, sowie eine Kollegin von der Kriminalpolizei dar.

Warum können Sie sich nicht vorstellen, daß ich Angst hatte? Sie haben schon recht, ein deutsches Mädchen hat eigentlich keine Angst, aber bei Männern sieht man nie so ganz klar. Die Hauptsache ist jedenfalls, daß mir meinen Besuch niemand übel genommen hat.

Anrufen werde ich Sie nicht, die Firma A. Dietrich, Lebensmittel-Großhandlung soll sich nicht über Privatgespräche beklagen müssen. Ich selbst habe mich ja im Betrieb auch noch nicht anrufen lassen. Was sich irgendwie vermeiden läßt, soll man nicht unbedingt tun.

Also dann bis Sonnabend. Herzliche Grüße sendet

Donnerstag, den 13.10.49

mittags

Meine liebe Hilku!

Ich hoffe, dass es Dir gut geht und wenn es nicht der Fall sein sollte, wünsche ich Dir schnelle und baldige Besserung! (Hoffentlich bedarf es einer solchen nicht!)

Was macht dein neuer Wintermantel? Ich glaube fast, dass er noch irgendwo im Laden hängt, denn als ich am letzten Montag bei C.& A. war, waren unsere beiden Mäntel nicht mehr im Schaufenster. Ich war auch drinnen und musste feststellen, dass der helle Mantel ein einmaliges Stück und schon verkauft war. Mein Entschluss war aber nun gefasst und so holte ich mit viel List und Redekunst den nächst-besten-billigst-passendsten für mich heraus. So geschehen am Montag - Mittag um 12 Uhr. Ich hatte eine Besorgung übernommen um auf diese Weise möglichst frühzeitig meinen Mantel zu holen. Hoffentlich gefällt er Dir. Oder wenigstens ich in ihm Dir.

Kein Zimmer habe ich auch für Dich! leider! Beinahe hätte ich das Beste bekommen das überhaupt in Hamburg zu haben ist. Aber eben nur beinahe. Schade, schade.

Was sagt den der Doktor?  Hoffentlich hat er Dir nicht allzusehr zugesetzt.

Mein Geld, ich weiss, dass Du es weisst, ist auch schon fast alle. Kein Wunder! Deine Gewürze konnte ich gerade noch bezahlen. 7,65 nicht wenig, was. Hoffentlich ist Dir diese Anschaffung noch recht. Beutelweise nach unseren Grosshandelspreisen komme ich auf 12,-- DM, also noch etwas billiger sind wir so weggekommen. Im Laden hättest Du noch bedeutend mehr ausgeben müssen.

Wegen eines Zimmers wirst Du wohl doch noch selbst einmal gehen müssen, denn ich fürchte, dass man ohne Anzahlung auf die Provision kein Zimmer vermittelt bekommt. Nun, Anschriften werde ich noch heraussuchen, dann können wir uns noch verabreden und etwas entsprechendes unternehmen.

Dass ich jeden Tag wünsche, bei Dir oder Du bei mir zu sein, bedarf wohl keiner besonderene Betonung.?! Hoffentlich geht in dieser Beziehung noch mal etwas nach Wunsch?!

Hast Du Deinen kleinen Landsmann schon getroffen oder Dich mit ihm verabredet?

In der Lotterie habe ich natürlich nichts gewonnen, Dir wünsche ich mehr Erfolg! Wenn das man was nützen würde!

Morgen erwarte ich Deinen Anruf. Wie ich Dir diesen Brief zustellen kann oder werde, weiss ich noch nicht, haben sollst Du ihn aber heute. Soll ich die Gewürze wann mitbringen? ich habe auch sonst noch einige Kleinigkeiten for you!

Nun, wie und wann höre ich dann morgen telefonisch von Dir, zwischen 10 Uhr und 16 Uhr 30!!

Bis dahin und überhaupt alles Gute!

Küsschen!!!!

Dein Diego

P.S.  Ich habe schnell geschrieben! Bitte Druckfehler nicht zu beachten!

Donnerstag, 13.7.50

Meine liebe Hilku!

Einen lieben Brief soll ich Dir heute schreiben, ich will versuchen, ob ich überhaupt noch schreiben kann, und wenn ja, ob es dann auch ein recht lieber Brief für meine ganz liebe Hilku geworden ist. Ich weiss garnicht, was eigentlich mit mir los war am Mittwoch, ich weiss aber, dass so etwas nie wieder vorkommen wird. Jawohl, nie wieder denn ich könnte doch ohne Dich und deine Liebe zu mir garnicht mehr leben, und wenn doch leben, dann doch nicht mehr so glücklich wie bisher mit Dir. Ich will auch nur noch ganz selten vernünftig sein und viel lieber mit Dir unvernünftig sein.

Ob mir dieses gelingen wird? Hoffentlich wenigstens ein bisschen. Uns zu liebe.

Wenn am Sonntag hoffentlich wieder gutes Wetter ist, fahren wir ganz weit weg, wo keiner hinkommt, ja? Ich hab doch immer solche Sehnsucht nach Dir und möchte Dich doch immer für mich ganz alleine heben und immer wissen das Du glücklich bist. Ich möchte immer viel lieber zu Dir sein als nach den gegebenen Umständen meistens möglich ist. Ich bin doch auch nur glücklich wenn ich von Dir weiss dass Du es bist, und ich möchte immer glücklich sein. Mit Dir!

Hoffentlich hattest Du nicht auch sonst noch Aerger sodass Du jetzt wieder lachende Augen hast wenn wir uns am Sonnabend wiedersehen. Vielleicht hast Du dann noch etwas zu Waschen , ich sehe ja so gerne die Büchermappe durch. Unsere Huttel ist noch in Ordnung hoffentlich bleibts dabei.

Ich hoffe dass Du nicht so verrückt (verzeih) bist und vielleicht das Essen eingestellt hast, denn was soll ich mit einer verhungerten Hilku machen? Wolfgang holt heute abend Annelise von der Bahn ab und bleibt dann gleich bis morgen dort, nein nicht an der Bahn sondern bei Annelise natürlich.

Jetzt ist es schon ganz dunkel und ich will noch einen Happen essen und dann bald ins Bettchen gehen denn ich bin von gestern noch ein bisschen müde, Du weisst ja, wer am Tage Ruhe hat muss wenigstens nachts gut (und lange (allein) schlafen. Jetzt werde ich gestört (von Wolfgang) unå mache aus diesem Grund schluss (mit diesem Brief)

in alter junger ewiger Liebe

Alles gute Alles Liebe alles Schöne

Wünscht Dir bis Sonnabend und immer

Dein Diego

Burggarten, am 29.2.52

Meine liebe kleine Hilku!

Ich weiß nicht genau, wie es Dir geht, aber ich hoffe, daß Du all das gut überstehen wirst. (Und wenn es garnicht will, dann laß es doch einfach). Um mich mach Dir bitte gar keine Sorgen! Gestern war ich erst in Bramfeld und habe bescheidgesagt, von allen die besten Wünsche für Mutter und Kind. Abends fuhr ich aber doch nach Niendorf.

Heute werde ich wieder erst bei Dir vorbei fahren und hoffe, daß Du den Inhalt dieses Päckchens mit etwas Appetit erhältst. Dann werde ich wieder nach Bramfeld zum Essen fahren. Sind auch alle nett zu Dir? Ich möchte so gerne an Deinem Bett sitzen und Deine lieben Hände halten wenn es sehr weh tut! Ich denke immerzu an Dich, aber telefonieren mag ich bald nicht mehr, denn es ist immer nichts neues zu erfahren. Mein Liebling. Unser Strampelchen will ga-ga-nicht? Liebe Hilku!

Alles, Alles, Gute!

Küßchen 1 2 3 4 5 6 7 8

Dein Diego

28.9.60

Mein liebes Mädchen!

Ohne Dich ist es garnicht schön auf der Welt, Du fehlst mir doch sehr, die Wohnung ist so leer.

Sonntag sehen wir uns, bis dahin wünsche ich Dir alles alles Gute! Ich liebe Dich! Mach Dir um uns 2 keine Sorgen. Viele Grüße von Eni. Küßchen!!

Dein Diego

Hamburg, den 29.9.60

Mein lieber Diego!

Eben habe ich Deinen lieben Brief erhalten. Ich habe mich riesig gefreut, weil ich ja gar nicht damit gerechnet hatte. Nun will ich Dir gleich schreiben, wenn ich auch nicht viel sehen kann. Heute morgen war nämlich der Professor hier und nun habe ich eine schwarze Brille bekommen, die vorn nur 2 winzige Löcher hat. Da kannst Du Dir ja sicher vorstellen, wieviel man da durch sehen kann. Aber die Kopfschmerzen sind dadurch schon ganz weg. Dann wird wohl alles andere auch noch in Ordnung kommen.

Sonst geht es mir gut. Essen und Trinken schmeckt. Schlafen kann ich auch noch gut.

Gestern waren ja Anneliese und Thorsten und Opa hier. Thorsten war sehr brav und niedlich.

Und Euch beiden geht es auch noch gut? Ist denn mein kleiner “großer“ Junge brav und vernünftig? Und klappt es denn mit Deinem Dienstschluß! Oder wird mein Junge öfters Bummelletzter? Ich möchte ja so gern alles wieder für Euch tun. Ich will mich auch nicht über zu viele Arbeit beklagen.

Und was macht unser Vati so jeden Abend? Hast Du schon Skat gespielt? Oder gehst Du groß aus? Mach es Dir man schön gemütlich, damit es Dir nicht langweilig wird.

Also, Diego, nochmals vielen Dank für Deinen Brief, Deine Grüße und die Tafel Schokolade.

Behalt mich lieb.

Deine Hilku

und Mutti

Hamburg, den 4. Okt. 1960

Lieber Diego, lieber Eni!

Heute, bei dem wunderschönen Wetter, bin ich am Nachmittag aufgestanden und draußen spazierengegangen. Es war herrlich. Nun bin ich wieder drin im Zimmer, habe aber noch keine Lust, schon wieder ins Bett zu gehen.

Was macht Ihr zwei denn so? Geht es Euch noch immer gut? Hier ist alles mehr oder weniger beim Alten. Gestern war ich zur neurologischen Untersuchung. Der Doktor konnte aber nichts finden. Meine Nerven scheinen also in Ordnung zu sein. Dann war ich außerdem beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Die Ohren sind in Ordnung, die Nase ist in Ordnung, der Hals ist in Ordnung. Aber stell Dir vor, meine Mandeln sind vereitert und müssen wahrscheinlich raus. Was sagst Du dazu? Da biste platt, was? Aber wenn sie nunmal vereitert sind, ist es ja besser, wenn sie rauskommen. Ich weiß nur noch nicht, ob es gleich hier gemacht wird oder ob ich später noch mal ins Krankenhaus muß. Mit dem Auge hat sich noch immer nichts geändert. Eine Pupille ist klein, die andere groß, das rechte Auge sieht noch immer doppelt. Vielleicht hängt es ja tatsächlich mit dem Zahn oder den Mandeln zusammen. Na, wir können weiter nichts als abwarten.

Lieber Diego, wenn Du am Sonntag kommst, bringe mir doch bitte folgendes mit: 1 Frottiertuch, 1 weißes Handtuch (hinten im Schrank), 1 Paar Strümpfe (am besten die neuen oben im Schrank), 1 Garnitur, damit ich auch mal ein Hemd herkriege (oben im Schrank hinter meinen Höschen). 2 neue Waschlappen (evtl. in der Drogerie neue kaufen – dann an Marken denken – oder gibt es bei Hannemann auch Seiflappen? Es müssten 2 verschiedene sein.). Ach ja, dann bräuchte ich noch andere Schuhe. Am besten bringst Du mir meine Sportschuhe aus dem Kleiderschrank, die neuen mit den Gummisohlen.

Kannst Du mir das mitbringen? Es wäre sehr lieb von Dir. Vielleicht auch noch einen sauberen Büstenhalter und einen Unterrock.

Was macht Irmlind? Macht Ihr Euch gemütliche Abende? Hast Du mich noch lieb, mein Diego? Ich hab so große Sehnsucht nach Dir. Aber ich kann es ja nicht ändern. Vergiß mich nicht.

Seid nun alle recht herzlich gegrüßt von

Mutti und Hilku.

Hamburg am 4.10.60

Dienstag, 20 Uhr 25

Mein geliebtes Hilkumädchen!

Ich wünsche sehr, daß es Dir bald besser gehen möge! Eni haben wir in Bramfeld abgeliefert, ich hole ihn Donnerstag wieder ab. Omi möchte den Freitag gerne zum Saubermachen und Einkaufen haben. Es wird dann auch reichlich genug sein für alle Beteiligten! Gestern hat Irmlind gekocht, Rosenkohl mit Rühreiern! Heute besucht sie eine Bekannte in Fuhlsbüttel! Wir vertragen uns ganz gu! Ich kam heute erst um 18 30 nach haus, schön daß Eni nicht abzuholen war, (sonst hätte ich ihn nachmittags schon abgeholt). Jetzt kommt ein Hörspiel, ich möchte schnell mal zuhören! Alles Gute 1000 Küsse und baldige Genesung! Dein Dich über Alles liebender (ja, wirklich)

Diego

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Hamburg, den 7.10.60

Mein geliebter Mann!

Heute erst komme ich dazu, Deinen wunderschönen Brief zu beantworten, den ich am Mittwoch während der Besuchszeit bekam. Anneliese war mit Thorsten wieder da, Frau Buch und Frau Osterhus mit ihren Kindern. Also war ich gut versorgt. Die Schwester vergaß sogar, an das Ende der Besuchszeit zu erinnern, sodaß Frau Buch und Anneliese bis ½ 5 Uhr hier waren. Frau Osterhus ging bald wieder, weil sie noch eine Bekannte im Marienkrankenhaus besuchen wollte.

Dein Brief ist wundervoll, ich danke Dir. Ich will auch ganz schnell wieder gesund werden, damit ich bald bei Dir sein kann. Ein bißchen klarer kann ich schon sehen, wenn es auch natürlich noch nicht ganz wieder in Ordnung ist.

Gestern hat man mir einen Zahn gezogen. Es ist der alte ohne Nerv. Deine Frau ist jetzt eine zahnlose Minka. Es sieht komisch aus, gerade vorn. Aber es ist gut, daß er raus ist, die Wurzel war ringsum vereitert. Dann haben sie meinen Kopf nochmals geröntgt. Ich weiß gar nicht, was sie noch suchen.

Sonst geht es mir ja gut, was ich von Euch auch hoffe. Waren Buchs einen Abdend bei Dir? Frau Buch wollte einen Zettel abgeben. Na, übermorgen ist ja schon wieder Besuchszeit, dann sehen wir uns ja wieder. (Leider nicht allein). Was macht Irmlind? Gefällt es ihr noch in Hamburg?

Das geschmierte Schreiben entschuldigst Du wohl, ja? Aber das kommt daher, daß ich nicht genau hinsehe.

Und was macht mein Jung? Fehlt die Mutti nicht doch sehr?

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Ist es richtig? Aber auf jeden Fall ist es wahr!!!

Seid nun alle rechtherzlich gegrüßt von

Hilku und Mutti.