Mein lieber mein Vater

01-08

Meine Großeltern

Leider kann ich es nicht schaffen, in diesem Buch über die Eltern von meinen beiden Eltern zu schreiben. Mein Opa Heinzi ist schon vor vier Jahren gestorben und meine Oma Ingrid möchte seitdem fast immer ihre Ruhe haben. Von Opa Heinzi weiß ich noch, dass er mir Schachspielen beigebracht hat und das seine Beerdigung traurig war.

Omi Ingrid ist noch sehr traurig und will fast keinen mehr sehen. Sie schimpft oft ohne Grund und man kann gar nicht mehr mit ihr reden. Früher hat sie mit mir gespielt und war immer viel netter. Darum handelt mein Großelternbuch nur von den Eltern meines Vaters. Sie schimpfen nicht so oft und ich weiß immer warum. Es ist aber schön wenn wir uns sehen oder telefonieren, weil ich mit ihnen über alles reden kann und Opi ist nie streng und ich darf fast alles.

Als ich zur Schule kam, sind meine Großeltern nach Ansbach gezogen, weil meine Omi Hilku krank geworden ist. In dem Jahr davor ist sie zweimal operiert worden und jetzt hat sie ein neues Kniegelenk. Aber es ist nicht so gut geworden und sie kann das Bein nicht mehr krumm machen und muß immer an einem Stock gehen. Das Knie hat ihr danach noch wehgetan und die Ärzte haben gesagt, sie soll aus dem Seeklima hier wegziehen und es hat auch etwas geholfen. Aber leider ist es jetzt sehr schwierig, sie zu besuchen. Davor war ich fast jedes Wochenende bei ihnen. Meine Großeltern kommen jetzt manchmal im Urlaub zu uns und wird besuchen sie so oft es geht, aber es ist eben nicht mehr so oft wie vorher. Dazwischen können wir bloß telefonieren. Wenn wir zusammen sind, kommt es mir so vor, als wenn sie noch bei uns wohnen, aber es ist immer ziemlich schlimm, wenn wir uns wieder trennen müssen.

Zuerst hatte ich aufgeschrieben, was mir meine Eltern erzählt haben und woran ich mich selber erinnern kann und was meine Großeltern so erzählt haben, aber damit bin ich oft durcheinander gekommen. Dabei habe ich auch gemerkt, dass mich die Sachen von ganz früher am meisten interessieren, die noch nicht mal meine Eltern miterlebt haben. Meine Großeltern haben mir 6 7 getippte Seiten geschickt, als ich ihnen einen Brief mit 18 Fragen geschrieben habe. Das Meiste haben sie extra für mich aufgeschrieben, aber von Opa Dieter ist auch ein langer Lebenslauf mit Kriegstagebucg, was er schon vorher geschrieben hatte, dabei. Weil sie ganz toll geschrieben haben, werde ich einiges als „wörtliche Rede“ abschreiben und versuchen den Rest zusammenzufassen, aber es ist so schrecklich viel.

Omi Hilku

wurde am 4.2.1928 in Potsdam geboren. Mein Urgroßvater hieß Rudolf. Er war Bauarbeiter und sehr sparsam und fleißig, so dass er später für seine Familie in Bornim bei Potsdam ein eigenes kleines Haus bauen konnte. Die Mutter meiner Omi hieß, bevor sie 1927 heiratete, Viktoria Delakowitz. Zuerst hatten sie es sehr schwer und wohnten in einer Wohnung aus zwei Zimmern, davon war eins die Küche. Sie hatten für das ganze Haus nur einen einzigen Wasserhahn außen an der Hauswand und schon gar kein Badezimmer. Meine Uroma arbeitete auf einem Bauernhof.

Leider gibt es kein Babyfoto von meiner Omi. Aber bestimmt war sie ein sehr süßes Baby. Als meine Oma zwei Jahre alt war, konnten sich ihre Eltern eine bessere Wohnung leisten. In dem Haus wohnte auch die Enkeltochter vom Hauswirt die genauso alt wie meine Oma ist. Sie haben sich gleich angefreundet und diese Helga ist auch heute noch die beste Freundin meiner Omi. Sie kamen 1934 zur Schule und gingen immer zusammen dort hin. Sie hatten es nicht weit. Jeden Morgen vor dem Unterricht mussten sie im Turnzeug auf dem Schulhof Gymnastik machen, weil ihr Rektor fand, dass nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnt. Danach mussten sie sich im Viereck aufstellen und sich erzählen lassen, wie gut es ihnen mit Hitler geht. (Glücklicherweise müssen wir heutzutage nicht jeden Morgen antreten um zu Herrn Schröders Lob zu turnen)

Als meine Omi fünf Jahre alt war, wurde ihr Bruder Rudi geboren. Omi Hilde schreibt: „Wir haben uns immer gut verstanden, wenn wir auch ab und zu nicht einer Meinung waren, wie das bei Geschwistern üblich ist. Aber auch nach Kabbeleien waren wir anschließend immer wieder ein Herz und eine Seele.“

Meine Omi ist sehr musikalisch und hat ihr Leben lang viel Akkordeon gespielt. Sie hat als Kind auch Oblaten gesammelt, genau wie ich und sie mit ihren Freundinnen getauscht. Bestimmt hatte sie welche mit den gleichen Bildern, die ich auch habe, weil viele von meinen Nachdrucke von ganz alten Oblaten sind. Darum finde ich auch, dass sie besonders gut in mein Großelternbuch passen.

Meine Omi hatte ziemlich viele Freundinnen. Über eine von ihnen schreibt sie: „Renate musste uns leider bald verlassen. Wir waren darüber sehr traurig, zumal wir nie wieder was von ihr gehört haben. Ihr Vater war ein hohes Tier bei der SA, aber ihre Mutter war Jüdin. Sie mussten sich scheiden lassen und sie musste mit den Kindern das Land verlassen. Soweit wir hörten, sind sie nach England gefahren. Dach ändern kannten wir daran ja nichts.“

Omi Hilku und ihre Freundinnen haben viel im Wald gespielt und Puppenstuben aus Stroh und Kletten gebastelt. Sie waren wohl alle ziemlich arm und trugen immer Holzpantinen, weil es fast keine Schuhe mehr zu kaufen gab. In der Klasse warfen die Jungen aus Albernheit immer damit herum. Einmal hat sogar einer den Direktor am Kopf getroffen – durch ein geschlossenes Fenster auf den Schulhof. Die Kinder wurden noch mit Schlägen mit dem Rohrstock bestraft. Im Winter haben sie dann heimlich den Stock hinter den Ofen gestellt, so dass er zerbrach wenn jemand damit geschlagen wurde.