Mein lieber mein Vater

TK 08

Beruf

Diego:

Anfang 1941 musste ich zur Berufsberatung zum Arbeitsamt kommen. Ich hatte von den verschiedenen Berufen nur wenig Ahnung und mein Bruder war schon in der Lehre als Autoschlosser, was zwar sein Wunsch war, aber die Ausbildung war so schlecht, dass er bald die Lust verlor. Er musste meist nur die Werkstatt ausfegen und für die Gesellen zur Pause Bier und Brötchen holen. Wenn er mal eine Arbeit am Auto machen sollte, wurde ihm die schmutzigste Arbeit angewiesen, die keiner von den Gesellen machen wollte. Er wurde aus dem Betrieb herausgenommen und wurde bei einem Bauern als Landwirtschaftsgehilfe eingestellt. Dort blieb er bis zur Militärzeit. War also auch für mich kein Anreiz ein Handwerk zu erlernen. Ich war auch nicht sehr groß und stark für schwere Arbeit. Dann wollte ich ganz gerne Koch oder Konditor werden, aber das war meinen Eltern auch nicht recht. Da blieb nicht mehr viel übrig und so wurde ich kaufmännischer Lehrling. Beamter hätte es auch sein dürfen, aber es wurden gerade keine gebraucht.

Nach der Schulentlassung im März fing ich am 1.April 1941 als Lehrling, so hießen damals die Auszubildenden, bei der Firma A. Dietrich Lebensmittel-Großhandlung mit der Arbeit an. Die Firma war in der Straße Burggarten Nr. 1 bei der Bürgerweide. Hier merkte ich sehr schnell, dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind. Das Lehrlingsgeld war im ersten Jahr 35,00 RM, im zweiten 45,00 und im dritten Jahr sogar 55,00 RM. Einmal in der Woche mussten wir zur staatlichen Berufsschule am Lämmermarkt beim St. Georg Krankenhaus und Steindamm. Nach der Schule mussten wir wieder in der Firma erscheinen und unsere Arbeit wieder aufnehmen. Die Firma hatte ein großes Lager von Lebensmitteln in Säcken und Kisten und Pappkartons und auf Bestellungen der Einzelhändler wurden diese Waren dann zu den Geschäften gebracht.

Meine Arbeit in der Firma bestand hauptsächlich aus praktischer Beschäftigung auf dem Lager oder als Beifahrer, wenn irgendwelche Engpässe zu überbrücken waren. Meine Warenkunde-Kenntnisse wurden dabei erweitert und ich konnte schon bald Makkaroni und Spaghetti unterscheiden. Auch der Umgang mit einer Dezimalwaage war bald kein Problem mehr. Im Büro musste ich zuerst nur selten helfen und wenn, dann nur in der Registratur wo es um das Ablegen der Unterlagen in verschiedene Ordner ging, sehr langweilig. Auch wurden uns Lehrlingen Botengänge abverlangt und dann waren wir oft stundenlang in der Stadt unterwegs, manchmal auch schnell in einem Kino. Schön war es auch, als Beifahrer in ganz Hamburg herumzufahren und die Kundengeschäfte kennen zu lernen, man musste dann zwar beim Abladen der Waren helfen aber mit dem Fahrer waren wir bald sehr befreundet und diese Arbeit machte mir mehr Spaß als unter Aufsicht im Büro zu schwitzen. Die ganze Mannschaft bestand aus sechs jungen Damen, dem Chef und seinem Vertreter sowie drei Lehrlingen, einem Lagerarbeiter und einem Kraftfahrer. Wir 3 Lehrlinge waren seltsamerweise alle gleich alt. Werner Hundertmark war im 3.Lehrjahr, Richard Paasch war im 2. Lehrjahr, und ich im ersten. Die Erklärung ist ganz einfach. Der Werner war mit 5 Jahren zur Schule und der Richard normal mit 6 Jahren und ich erst mit 7, so waren wir schulisch 3 Jahre auseinander und doch gleichalt, bzw. gleicher Jahrgang, 1925.

Nach einiger Zeit durfte ich dann auch beim Rechnungsschreiben helfen, die Arbeit machte schon etwas mehr Spaß und die Rechnungen wurden in einem kleinen Raum neben dem großen Büro, wo alle anderen Angestellten arbeiteten, geschrieben. Auf der Schreibmaschine wurden diese mit 2 Durchschriften erstellt. Das Original bekam der Kunde, den ersten Durchschlag die Registratur und den 2. die Buchhaltung. Wenn man mal zwischen den einzelnen Blättern einen Blaupapierbogen vergessen hatte, musste man die ganze Seite noch einmal abschreiben, denn es fehlte ja ein Blatt, auch kam es mal vor, dass man das Blaupapier falsch herum eingelegt hatte und dann war die Schrift nicht auf dem nächsten Blatt, sondern in Spiegelschrift auf der Rückseite des vorderen Blattes. Auch dann durfte man die Seite nochmal schreiben.

Diese Seite will ich mal beenden und drehe jetzt das Blaupapier um: B. w.

Hilku:

Ich wollte eigentlich schon immer ins Büro und habe das ja auch immer gemacht, bis ich Rentnerin wurde.