Meine 1. Verwundung hatte ich schon bald nach meinem Eintreffen an der Front im Frühling 1944. Wir lagen als V. B. an einem Bahndamm bei einem MG-Stand und hatten weite Sicht ins Niemandsland. Nur da der Bahndamm in einer leichten Kurve nach links abbog, konnte von dort hinter unsere Linie eingesehen werden. Wir hatten tiefe Schützenlöcher in den Damm gegraben und waren so einigermaßen gut geschützt. Einmal kam sehr hoch am Himmel ein feindliches Jagdflugzeug und wir dachten nicht, dass es uns womöglich gefährlich werden könnte. Aber plötzlich kam das Flugzeug im Sturzflug herab und feuerte mit seinen Bordwaffen auf den Bahndamm. Wir hatten aber seitliche Ausbuddelungen in den sonst oben offenen Deckungslöchern, so dass keiner getroffen wurde. Ein andermal schoss ein ferner Scharfschütze auf einen nach hinten zum Waldrand rennenden Kameraden, der austreten wollte, na, dem ist aber die Lust erstmal vergangen: von wegen Schuss durch beide Backen, Gesicht unverletzt.
Nachts wurden von uns ab und zu Leuchtkugeln abgefeuert, um evtl. feindliche Spähtrupps oder Schlimmeres abzuwehren. Ich wollte einmal mit dem MG schießen und der Schütze hatte nichts dagegen. Er schoss ab und zu mal eine kleine Salve ins Gelände und das tat ich dann auch. Ich wollte schön ins Niemandsland zielen, es ging auch zuerst ganz gut, das MG stand zwischen den Gleisen, aber dann ging plötzlich der Verschlussdeckel auf, ich nahm den Kopf hoch und das MG ging vorne runter und schoss noch weiter, weil ich den Abzug nicht sofort losließ, und so gingen die letzten Geschosse gegen die Schiene. Ein Regen von kleinen Metallsplittern spritzte uns um die Ohren und ich hatte einige blutige Schrammen im Gesicht. Ich kriegte einen Verband um den Kopf und wurde erstmal abgelöst. Ich durfte dann 14 Tage beim Tross bleiben bis alles verheilt war. Ich bekam auch dafür das Verwundetenabzeichen in schwarz, Verwundung durch eigene Waffen. Viel später, nach ca. 30 Jahren, hat mir einmal ein Röntgenarzt gezeigt, dass ich noch 3 – 4 kleine Metallsplitter unter der Haut als Andenken besitze.
Meine 2te Verwundung war sehr viel später und gleichzeitig mein sogenannter Heimatschuss. Wir lagen schon in Ostpreußen und unsere Batterie musste schon wieder mal den Rückzug decken. Die Kanonen waren auf offenem Feld in Stellung gebracht und es wurde pausenlos geschossen, ein einzelnes Gebäude hatte unsere Führung bezogen und der Tross lagerte dahinter und alle, die keine direkte Aufgabe hatten, waren beim Kochen und Braten und [genossen] die Ruhe vor dem nächsten Stellungswechsel nach hinten.
Plötzlich ein Heulen und Krachen, überall schlugen feindliche Granaten ein, der Feind hatte wohl die Absicht, die heftig feuernde Batterie auszuschalten und erwischte erstmal den Tross. Aus allen Fenstern und Türen sprangen die Kameraden aus dem Gebäude heraus, es konnte ja ein Volltreffer mitten hinein treffen. 3 Kameraden, die noch eben neben mir standen, und auch ich suchten Deckung hinter dem Haus, ein Fahrer, genannte Köbis aus dem Rheinland, lief noch ein Stück in den angrenzenden Obstgarten und rief ich bin verwundet. 1 x 2 x 3 x aus seinem Rücken schoss ein Blutstrahl hervor und er brach zusammen und war tot.
Ich merkte auch, dass ich was abbekommen hatte. Mein linkes Bein tat seinen Dienst nicht mehr. Auch unser Sanitäter war aus einem Fenster gesprungen und landete neben mir, er hatte seine Tasche dabei und konnte mich sofort verarzten, Hose aufschneiden, Bein verbinden fertig, aber ich konnte das Bein nicht mehr bewegen und es tat jetzt auch weh. 2 andere Kameraden hatten auch Arm- und Brustverletzungen und wurden versorgt. Ich wurde mit einem Sanika (Sanitäts-Kraftwagen) zum nahegelegenen Hauptverbandsplatz gebracht. Eine alte Schule in Tauroggen bei Tilsit. Dort waren viele verwundete Soldaten und in der Mitte des Hauptraumes waren auf einem Podest einige große Tische zusammengestellt und unter einer hellen Lampe war ein Arzt beim Operieren.
Inzwischen war es schon lange dunkel geworden und alle Fenster waren mit Decken verhangen. Der Arzt hatte gerade einen Verwundeten, der auf einem Stuhl unter der Lampe gehalten wurde, einen losen Arm abgesägt, es war wie auf einem Schlachthof, ich wurde im Vorraum von einem Sani befragt und behandelt, Verband ab und neu verbunden. Vorher noch eine Spritze gegen Tetanus und dann ins Freie in den Garten gebracht, dort waren Gräben ausgehoben für die Leichtverwundeten, sogen. Splittergräben gegen Fliegerangriffe. Es war klare Nacht, aber es blitzte immerzu und es war Fliegergeräusch zu hören. Der Feind machte Blitzlichtaufnahmen von dem Hinterland.
Noch in der Nacht wurden wir zu einem Kanal oder Fluss gebracht und auf einen Kahn verbracht. Dieser war mit verwundeten Soldaten voll besetzt und bewegte sich nur langsam und nur nachts, wegen feindlicher Flieger, und nach 3 Nächten waren wir am Ziel: Königsberg. Dort wareb in einer Kaserne Notbetten für uns bereit und nach etwas neuerlicher ärztlicher Versorgung war auch Königsberg nicht mehr sicher genug und ich kam mit vielen anderen im Lazarettzug nach Deutschland.
Von der Fahrt weiß ich nur wenig, es war ein Gejammer im Zug, viele Schwerverwundete, und die lange Fahrt meist auch nur nachts. Es war schon grausam, nach vielen Unterbrechungen, die schlimmsten Fälle wurden nach und nach in den verschiedenen Orten in die Lazarette abgegeben, wir Leichtverwundeten kamen zuletzt, und zwar in das Reservelazarett Bad Salzungen, eine ehemalige Schule. Jeder Raum mit 6 – 8 Betten ausgestattet und im Keller mit Badewannen bestückt. Seit der Verwundung in Ostpr. waren ca. 14 Tage vergangen und jetzt war erstmal Waschen und Wäschewechsel dran (an der Front war ja auch nur alle ¼ Jahr mal Wäschewechsel gewesen) und nun ein sauberes weißes Bett, herrlich, aber das arme Bein, große Fleischwunde linke Wade, keine Knochen oder Sehnen verletzt!