Hellbrook, am 13. Hornung 1933.
Mein lieber Georg,
herzlich gedenke ich Deiner zu Deinem Geburtstag. Möchtest Du den Tag gesund im Kreise Deiner Lieben verleben und möge Dir das neue Jahr Glück und Gesundheit und Deinen Arbeitsertrag erhalten. Durch Mutti erfuhr ich flüchtig, daß Ihr auch krank wart, ich hoffe, daß inzwischen sich wieder alles zum Besseren gewendet hat. Wir waren in den kalten Tagen auch alle sehr erkältet, doch sind wir bisher von der Grippe verschont geblieben. Die Schule war bereits eine zeitlang geschlossen, doch geht Wolfgang jetzt wieder hin. Es ist für uns die einzige Gefahr der Ansteckung, da wir sonst vollkommen einsam und abgeschlossen leben. Für Deine Geldsendung zur Feuerung danke ich Dir nun auch erst heute. Ich war gerade recht verzweifelt, da weder Geld für Lebensmittel noch für Feurung da war. Es war mir eine wahre Hilfe aus der Not, und der Waschtag, an dem es gerade eintraf, ward mir zum Freudentag, was ich sonst nicht gerade davon behaupten kann. Auch das Geld über Hagenow für die Miete habe ich inzwischen längst erhalten und sage Dir dafür ebenfalls meinen besten Dank, sodaß die Miete wieder bezahlt werden konnte. Franz hat mich leider wieder mit einigen kleineren Beträgen hintergangen, immer wieder ein Zeichen, daß man ihm auch nicht das Geringste anvertrauen darf. Ich muß also auch die geringsten Geldangelegenheiten allein erledigen, was hier vom Lande aus meistens mit Schwierigkeiten verknüpft ist. Ich will ein paar Groschen sparen und hatte dafür einige Mark Schaden. Daß das bei unserm Rieseneinkommen sich beträchtlich fühlbar macht, ist selbstverständlich – Für die Zukunft werde ich natürlich keinen Pfennig mehr aus der Hand geben –
Schweren Herzens habe ich mich nun seit voriger Woche auch entschließen müssen, das Essen für tägl. 30 Pf aus der Volksküche in Bramfeld zu holen. Es ist ja sehr reichlich, aber über die Güte desselben wirst Du Dir ja eine Vorstellung machen können. Kommunismus in Reinkultur. Nun, Hitler hat ja genügend über den Marxismus gewettert, ob er auch wohl gegen den Kollektivismus einschreiten wird? Leider glaube ich es nicht, denn er will ja den einen Hirten und die eine Herde! In Hagenow werden sie gewiß auch frohlocken und voll Vertrauen in die Zukunft sehen. Sind doch Seldte und Hugenberg auch in diesem Kabinett vertreten, und Herr Seldte nahm ja bereits in Berlin die Front der Stahlhelmer mit dem Faschistengruß ab! (Fasces = Rutenbündel, das Zeichen der Romherrschaft, mit denen Römer freie Germanen peitschen ließen!)
Wie geht es denn bei Euch? Was machen die Kleinen? Ihr wartet gewiß auch schon auf den Frühling, damit die Kinder in der frischen Luft wieder rote Backen bekommen. Ich ersehne direkt die wärmeren Tage. Nichts, aber auch buchstäblich nicht die geringste Abwechselung habe ich und fühle mich in geistiger Beziehung mehr als verlassen. Franz ist viel unterwegs, ich erziehe den ganzen Tag meine Kinder. Das kann einem auch mal ein bißchen zuviel werden. Wenn man dann wenigstens hinaus kann! Nun, das wird ja kommen, die Natur bleibt getreu, das einzig Verläßliche, während sonst überall die „Taktik” Kompromisse schließen läßt. Aber „der Führer” muß es ja wissen, denn „das letzte Ziel kennt nur der Führer”. Armes, betrogenes deutsches Volk unter Massensuggestion, Massen, Massen, so gewaltig, daß sogar Herr Goebbels keine Worte mehr für diese Massen fand!
Na, auf 4 Jahre (!) (warum nicht 5 Jahresplan?) sind wir ja nun erst vertröstet! Man hat doch viel vom Kommunismus gelernt! Nun, trotz allem, wünsche ich Dir einen schönen Geburttag! Grüße bitte Mie und Euer Kläuschen. Hoffentlich ist er wohl.
Innige Grüße Dir und nochmals
Dank für Alles!
Deine Kläre.
Hellbrook, am 31. Lenzing 1933.
Lieber Georg,
herzlichen Dank für Deinen letzten Brief und die Geldsendungen. Wolfgang schreibt Dir selbst noch ein paar Zeilen, Diego dankt Dir durch mich. Am 19. April ist sein erster Schultag. Sein Ränzel haben wir in Barmbeck besorgt, und er hat es stolz gleich auf dem Rücken nach Hause getragen. Jedenfalls werde ich es mit ihm leichter haben als mit Wolfgang. Er freut sich schon sehr auf die Schule. Hoffentlich kriegt er keinen zu alten Lehrer und hoffentlich braucht er nicht am jüdischen Religionsunterricht teilzunehmen. Wolfgang ist versetzt und hat ein ganz gutes Zeugnis. Viel lernt er ja leider nicht in der Bramfelder Schule, die Kinder sollen wohl möglichst dämlich bleiben. Von Natur hat er auch keine Wißbegier, und in der Schule wird sie nicht geweckt. Er ist froh, wenn der Ränzel in die Ecke fliegt, d.h. in Wirklichkeit darf er das nicht machen! Da wir doch keine Möglichkeit hätten, ihn auf eine höhere Schule zu geben, darf man die Sache nicht zu tragisch nehmen. Er lernt ja so wie so noch allerhand durch uns, vor allem, was den deutschen Standpunkt betrifft.
Bei dem schönen Wetter in den letzten Tagen haben sich Eure Kinder gewiß recht wohl gefühlt, wie unsere auch. Es war auch zu wunderbar. Wart Ihr schon alle am Grundstück? Gewiß gibt es recht viel Arbeit dort, wie bei uns auch. Nur haben wir es so bequem! Wie haben wir schon diese warmen Tage genossen! Aber fleißig heißt es jetzt sein. Mit düngen, graben, pflanzen und säen geht viel Zeit hin. Dabei habe ich mit Reinemachen, Waschen und Nähen viel zu tun. Es kommt alles zusammen. An der Seite des Hauses werden wir einen kleinen Blumengarten anlegen, dann Gemüse und hinten an der Hecke unterm Birnbaum einen schönen Sitzplatz. Nun muß bloß ein schöner Sommer kommen, um uns alle für die Unbill des Winters zu entschädigen! –
Aus Hagenow hatten wir ganz gute Nachricht. Hoffentlich hält Mutti sich weiter gesund und mutet sich nicht zuviel zu. Hedi wird wohl jetzt zu hause bleiben, ich glaubekaum, daß sie zu Ostern eine neue Stelle findet. Die arme Trudi wird nirgends warm oder kalt. Ich bin die letzte, die für Trudi heute noch ein Glück darin sähe,mit Erich verheiratet zu sein. Aber es wundert mich doch immer wieder, daß für ihn nie die Möglichkeit gekommen ist, zu heiraten. Ich denke, er istnun schon ziemlich lange „Chef des Stabes“, andere Leute heiraten doch auch. Und der Stahlhelm steht doch jetzt fein da (Braunschweig natürlich ausgenommen!)! Traurigist das alles. Aber mit Bangis‘ ist nicht viel los. Ein Verhängnis, daß Trudi sich damals auch in Erich vergucken mußte! Er war gewiß ein netter Kerl! Und nun ist es so mit ihnen gekommen!
Hoffentlich seid Ihr alle wohl, aber bei kleinen Kindern ist ja oft mal was los. Grüße bitte Mie und die Kinder, auch die Schwiegereltern u. Schwager.
Mit nochmals herzlichem Dank und innigen Grüßen bin ich
Deine Kläre.
Lieber Onkel Georg!
Ich danke Dir für das Geld zu meinem Geburtstag. Am 30. März haben wir Ferien gekriegt. Ich bin versetzt. Herzlichen Gruß für Dich, Tante Mie, Klaus Georg und Rotraud.
Dein Neffe
Wolfgang.
Hagenow, am 21. Heuert 1933.
Lieber Georg,
unsere Erholungszeit in Hagenow läuft bald ihrem Ende entgegen. Noch ein paar Tage, dann ist die Zeit wieder vorüber, wo man sich einmal richtig satt essen konnte und Margarine, schwarzer Kaffee und Brot ohne was treten wieder in ihre Rechte. Diese unerhörten Entbehrungen und Sorgen haben mich tatsächlich körperlich und auch seelisch allmählich recht mürbe gemacht. Auch in der Zukunft sehen wir – für Nichtnationalsozialisten im besonderen – keine Hoffnung auf Besserung. Ich wüßte auch nicht, wo sie herkommen sollte. Ich glaube nicht, daß durch dies Zusammenbetteln von Geld von meistens denjenigen, die es selbst nötig brauchen, die Wirtschaft in Fluß gebracht werden kann. Soviel wir übersehen können, herrscht z.B. in Hamburg eine Gedrücktheit sondergleichen und wenig Vertrauen in die neue Wirtschaft der neuen Jugend im neuen Deutschland. Vielleicht macht Ihr dort andere Erfahrungen? Ihr werdet natürlich froh sein, daß Kirche und Priesterherrschaft wieder Trumpf sind in Deutschland und daß der heilige Vater auf dem heiligen Stuhl sich anschickt, wieder seine allmächtige Hand über Deutschland zu halten, die uns in allen Jahrhunderten deutscher Geschichte so unendlichen Segen gebracht hat.
Umsonst fliegen wohl Herr von Papen, Joseph Goebbels und Hermann Göring (natürlich alle nicht katholisch oder vielmehr römisch!) nicht andauernd im Sonderflugzeug nach Rom. Aus diesem vorbildlichen Lande der Treue ist gewiß alles Gute für unser Volk zu holen. Nicht wahr, dieserAnsicht seid Ihr gewiß auch alle? Ich denke dabei besonders des herrlichen Buches von Dahn „Ein Kampf um Rom“, das ich erst kürzlich mit ganz anderen Sinnen wie früher noch einmal gelesen habe. Nun, ich wünschte mit heißem Herzen unserem Volke die wahre innere und äußere Freiheit. Was wird der National–Sozialismus bringen? Organisation und Taktik sind ja gut und schön, aber meines Erachtens sind sie nur das äußere Gewand und der Inhalt ist das Wesentliche. Und Gerechtigkeit vor allem und Wahrheit sind die Grundpfeiler, auf denen alles ruht. Ob sie im dritten Reich herrschen?
Wie gesagt, ich bin sehr niedergedrückt durch alle Ereignisse um mich herum. Auch hier trauert man um das Grab des Stahlhelm. Wir sahen diese Entwicklung natürlich längst voraus. Ja die Seele der Eltern u. Hedis versetzt, die so zähe am Hergebrachten hängen, tun sie mir von Herzen leid. Wenn man stets geglaubt hat, das Beste für das Vaterland zu wollen, und wird dann durch eine ebenfalls „nationale“ Partei so unfreundlich beiseite geschoben, so sind das natürlich Bitterkeiten, die nicht so leicht zu überwinden sind.
Im übrigen machen sich alle Gegensätze in solch einer kleinen Stadt erschreckend fühlbar. Ich bin nur froh, daß ich in dieser Hinsicht hier nicht dauernd bin. So abhängig ist man doch selbst im Vorort von Hamburg nicht. Wir bleiben eben zu Hause, dann erspart man sich einen aufgezwungenen Gruß, zu dem das Herz nicht „ja“ sagt und läuft nicht Gefahr, durch dessen Verweigerung gerichtlich verurteilt zu werden. Genug davon. Mein Kopf ist klar genug, um durch Feste, Feiern, Radio und Begeisterung nicht getrübt zu werden. – – –
Ob Ihr in Eurem Sommerhäuschen seid? Jetzt sind ja mal wieder ein paar schöne Tage, die man genießen muß. Der kurze Sommer ist so schnell vorüber. Das Heimatfest ist eigentlich vollkommen verregnet gewesen. Es war schade, es war alles recht hübsch gemacht. Am Königsschuß haben die Kinder mit Hedi und Trudi regen Anteil genommen. Ich habe mich garnicht daran beteiligt, nur mal mit Mutti den Festzug vom Fenster aus angesehen. Prohl ist König geworden.
2 mal waren wir in Wald zum Bickbeeren pflücken, das war schön, und morgen wollen wir in den Grünhöfer Wald zum Pilze sammeln. Schönen Angedenkens von früher. Hoffentlich finden wir welche. Donnerstag morgen geht’s nach Hamburg zurück. Die Kinder sind munter und genießen die Ferienfreiheit! Hoffentlich seid Ihr auch alle gesund. Herzliche Grüße an Mie und die Kinder, auch Deine Schwiegereltern und Schwager.
Dich grüßt vielmals mit
herzlichem Dank für alles Gute
Deine Kläre.
Hellbrook, am 28. Scheiding 1933
Lieber Georg,
herzlich danke ich Dir für Deinen Geburtstagsbrief mit den reizenden Bildern von Euch und Dein Geschenk. Ich habe davon den Kindern Strümpfe für den Winter gekauft und für Muttis und Klimpelchens Geldgeschenk Stoff zum Anzug für Wolfgang. Den nähe ich seit einigen Tagen und ärgere mich weidlich damit herum. Die Jacke ist eine Kletterweste und wollte garnicht recht sitzen. Ich hatte solch ein Ding noch nie gearbeitet und das Muster war wohl nicht recht passend. Zum Schluß scheint es aber doch noch ganz nett zu sitzen. Wir hatten ja noch herrliche Tage im September und Ihr habt gewiß sehr bedauert, nicht mehr in Eurer Freiheit sein zu können. Wir haben auch unsere letzten Bohnen geerntet. Tomaten liegen an den Fensterbänken, rote Beete nehmen wir morgen auf und nächste Woche wollen wir die Birnen von unsern beiden Bäumen abnehmen. Sie sind nur klein und noch hart, auch das Gehäuse ist etwas holzig, also hervorragend ist die Sorte nicht. Aber es sind unsere einzigen Obstbäume, es sitzen sehr viele dran, und wir müssen mal sehn, was daraus wird, wenn sie beim Lagern am Boden nachreifen. Meinen Geburttag habe ich eigentlich recht schön verlebt. Aus Hagenow und Annaberg kamen Pakete, aus A. sogar eine Ente, die wir am folgenden Sonntag verspeisten. Wir konnten uns auch von dem aus Annaberg zu Franzens Geburttag erhaltenen Gelde einen kleinen Ofen für die Küche kaufen, sodaß wir diesen Winter dort heizen können, allerdings dafür nicht im Wohnzimmer. Aber ich werde sicher nicht so zu frieren brauchen wie im vorigen Winter. Daß niemand „hungern und frieren“ soll, halte ich auch für „Taktik“, genau wie im Frühjahr, wo wir und andere Bekannte von uns weder von der Hitlerspende noch von sonstigen Fettpaketen etwas zu sehen bekamen.
Ich werde Dir gelegentlich mitteilen, wieviel oder wiewenig wir hungern und frieren müssen im Winter. Du hast allerdings recht, wenn Du schreibst, daß ich mit der nationalen Revolution und ihren Errungenschaften nicht zufrieden bin. Ich kann mich allerdings mit diesen Ansätzen, die zu nichts Grundänderndem führen, nicht zufrieden geben. Und dann weißt Du ja, wie ich über religiöse Freiheit denke. Was heute in dieser Beziehung ist, nenne ich schwärzeste Reaktion. Mir liegen die Punkte der „Deutschen Christen“ vor. Schwarz sind die Ziele, Ludendorff hat schon recht, wenn er in der zuletzt erschienenen Volkswarte sagte, „Die evangelischen Christen sollten nur aufpassen, daß nicht eines Tages ein verkappter Jesuit Reichsbischof würde“.
Doch genug davon. Unsere beiderseitige Weltanschauung ist so unendlich verschieden. Doch werden wir vielleicht noch einmal etwas anderes erleben, als was heute ist, vielleicht wirst auch Du dann noch einmal anders urteilen lernen über den Mann, dem Du heute noch schon ein „Versagen und Unfähigsein“ sogar während des Weltkrieges zusprichst. Nun, wir wollen sehen, und vielleicht sprechen wir später noch einmal darüber. – Ich freue mich, daß es Mie, Dir und den Kindern sonst gut geht und Ihr Euch während der Sommermonate gut erholt habt. Ich kann es von uns auch behaupten. Die Kinder vor allem haben sich ganz nett herausgemacht. Die gute Luft und das frische Gemüse haben ihnen wohl gut getan. Denn sonst besteht unsere Nahrung wie zuvor in Kartoffeln, schwarzem Kaffee, die Kinder ¼ l Milch täglich, ¼ Pfd. Wurst für 4 Personen in der Woche u. Sonntags ½ Pfd. Schweinefleisch für 4 Personen. Im übrigen gehen die 8 Mk wöchentlich fürs Essen in Brot, teurer Margarine oder noch teurerem Schmalz drauf. Wir sind als „Ärmste der Armen“ Adolf Hitler für diese Vorteile sehr dankbar. Das wirst Du leicht begreifen können. Verdienen tut Franz garnichts mehr. Er hat das Herumlaufen jetzt auch aufgegeben und arbeitet im Haus und Garten oder klärt Volksgenossen auf, die alle weiter mit ihm wie immer zum Stempeln wandern. Dir bin ich natürlich weiter von Herzen dankbar, daß Du uns das Wohnen in einer Wohnung ermöglichen hilfst. Ich denke, Du bist mir nicht böse, wenn mich trotzdem manchmal die Bitterkeit überwältigt und ich über die „Methoden“ der Regierung anderer Ansicht bin als Du. Und nun schließe ich. Grüße die Deinen.
Dich grüßt herzlich
Deine Kläre.
Hellbrook, am 11. Hornung 1934.
Lieber Georg,
nun ist auch Dein Geburttag wieder da und ich will Dir ein Dir ein paar Worte des Gedenkens und Grußes schreiben. Ich hoffe, daß Ihr diesen Tag gesund miteinander oder im Kreise der Verwandten verleben könnt. Die Kinder sind doch wohl gesund? Meinen letzten Brief hast Du gewiß erhalten. Wie ist es inzwischen mit Deiner Stellung geworden? Hat sich bereits etwas darin entschieden oder lebt Ihr noch in der Ungewißheit? – In unserer Lage hat sich weiter nichts geändert und wird sich gewiß nichts ändern solange wir von den heutigen Führern der Nationalsozialisten regiert werden. Wir selbst arbeiten zielvoll und unentwegt an dem für Recht erkannten Ziel der Volksschöpfung, eins in Blut, Glaube, Kultur, Recht und Wirtschaft, weiter. Ich schreibe diesen Brief schon heute, weil ich morgen Wäsche habe und Dienstag zum ersten mal im kleineren Kreise bei uns einen geschlossenen Vortrag über „Deutsche Gotterkenntnis” halten werde. Ich habe mich sehr viel in den letzten Monaten mit all diesen Fragen der Weltanschauung beschäftigt, und ich hoffe, in der Lage zu sein, einer Reihe von Menschen, die nicht so ordnen können wie ich, klar und eindringend die Weltanschauung des Hauses Ludendorff, die deutsche Gotterkenntnis, nahe bringen zu können.
Diese deutsche Gotterkenntnis widerspricht nirgendwo der Vernunfterkenntnis, erst an den Grenzen des Vernunfterkennens setzt die innere Schau, die Intuition ein. So löst uns Frau Ludendorff in einer wahrhaft genialen Weise an Hand der Entwicklungsgeschichte und durch das innere Erleben die großen bisher stets ungelösten Fragen nach dem Rätsel des Todesmuß, dem Sinn des Menschenlebens und der Erfüllung des Unsterblichkeitswillens. An Hand dieser grundlegenden Erkenntnisse stellt sie eine klare, ernste, kraftreiche aber auch unerbittliche Moral auf, jenseits aller Straf- und Lohnforderungen, unabhängig von Nützlichkeit oder Zweckmäßigkeit, unabhängig von Leid und Freud. Nie und nirgendwo gab es oder gibt es eine derartige hohe Moral, so erschöpfend, so erfüllend wie die Mathilde Ludendorffs. – Ich lege Dir nun heute ein kleines Heft bei „Weihnachten im Lichte der Rasseerkenntnis”. Es kommt etwas verspätet, doch ist der Inhalt derartig, daß man wohl schon durch dieses Erkennen zur deutschen Gotteskenntnis kommen kann.
Die anderen Schriften, 2 x heiliger Quell, 2 x Brunnen und 1 x General L. im Feuer bitte ich, gründlich zu lesen und mir dann bald zurückzuschicken. Wir brauchen die wenigen Schriften, die erscheinen, so notwendig, um dies oder jenes nachzusehen usw. Aber ich möchte doch gern, daß auch Du einmal wieder Anteil nimmst an unserem inneren Erleben. „Der Brunnen” ist inzwischen verboten. Durch die letzten Enthüllungen sahen sich die I. G. Farben veranlaßt, das Verbot zu beantragen. Leider habe ich den betr. Aufsatz im Augenblick nicht zur Hand. Jedenfalls ist es sehr bezeichnend für die jetzige Regierung, daß ihr der gute Verdienst der Großkonzerne wichtiger ist als Aufklärung u. Gesundheit des Volkes. Ihr nennt das ja „völkisch”, wir nennen es anders.
Wir haben uns inzwischen sehr an eine Familie angeschlossen, die Rohköstler sind. Ich selbst habe jetzt viel über diese Reformbestrebungen gelesen und bin zu der Überzeugung gelangt, daß die Forderungen richtig sind. Leider lassen unsere geldlichen Mittel für uns eine Rohkosternährung nicht zu. Doch richte ich mich so viel ich kann nach dieser Ernährungsweise. Wir haben 2 Rohkosttage eingeführt. Bestärkt wurde ich darin noch durch die Ausführungen des Apothekers Michael, Altona, über Lebensmittelvergiftung. Ich denke, Du wirst die Dir zugehenden Schriften mit Interesse lesen und sie mir nach Kenntnisnahme bald zurückgeben,
Falls Du etwas besitzen solltest in nationalsozialistischer Literatur, was nicht auf die Form der Änderungen Bezug hat, sondern auf den Inhalt, so würde es mich interessieren. Über katholische Bestrebungen (Propaganda), sind wir allerdings im Bilde. –
Dir, Mie und den beiden Kleinen geht es gesundheitlich hoffentlich gut. Wolfgang und Diego entwickeln sich auch zusehends, Wolfgang mehr körperlich, Diego geistig. Sonntag kommt eine junge Dame zu uns, die die Kinder fotografieren will. Sollte das Bild gut werden schicke ich Euch gelegentlich eines mit. Geistige Anregung habe ich in die diesem Jahr reichlich. Wir sind oft zu andern Leuten geladen, auch zu uns kommen viele Leute, alles Ludendorffer oder die es werden wollen. Wir haben sie in Hellbrook recht gut gearbeitet. Franz ist auch unermüdlich und unerschrocken tätig, und ich stehe ihm nicht nach. Da wir nie schimpfen, sondern stets nur aufklären hat uns noch niemand etwas sagen können, obgleich wir auch mit vielen Nazis gesprochen haben. Sie müssen uns stets recht geben.
Ich habe die Schriften als Drucksache allein geschickt.
Herzlich grüße ich Dich und die Deinen. Franz u. die Kinder schließen sich an.
Vielen Dank für Deine letzte Sendung. Deine Kläre.
Hellbrook, am 13. Julmond 1935.
Lieber Georg,
besten Dank für Deinen Brief und die Geldsendung. Vor allem auch für die so zeitige Weihnachtsgabe. Ich werde Sonntag mit Franz in der Hamburger Str. in Barmbek einige Besorgungen machen. Die 50.– Mk für Ebowa lege ich einstweilen zurück und halte sie evtl. zu Deiner Verfügung. Für die Ebowa werde ich sie nicht gebrauchen. Unsere Lage ist nicht rosig und hat sich nach verschiedenen Richtungen hin seit Deinem Hiersein noch verschlechtert. Franz ist heute abend bei Herrn Leys, um mit ihm die Lage gründlich zu besprechen. Wir können ihm weder Pacht bezahlen, noch sonst dergleichen, in ein Pachtverhältnis am 1. Hartung können wir auf keinen Fall eintreten. Gründe: 1.) der Lübecker Vertreter, unsere größte Hoffnung, hat uns einfach sitzen lassen, schuldet Geld für Ware, läßt nichts mehr von sich hören. 2.) die Alsterdorfer Anstalten beziehen schon letzten Monat nicht bei uns. Auf Anfrage teilen sie mit, daß sie auch andere Lieferanten berücksichtigen müssen, doch würden wir auch wieder auf Bestellung rechnen können. Na, das ist also der sichere große Kunde! 3.) ab 1. Hartung bewirtschaftet der Staat eine Reihe von Wachsen und wahrscheinlich auch die Lösungsmittel. Also Aussichten sehr schlecht!!! Franz und ich haben manche schlaflose Nacht. Ich gräme mich zu sehr. Unsere letzte Hoffnung ist jetzt noch ein Hamburger Vertreter, mit dem wir seit 8 Tagen in Verbindung getreten sind, der alle Verbindungen u. Kraft dransetzen will, um die Sache haltbar zu machen. Aus unseren Verbindungen nach außerhalb will auch nichts Rechtes werden. Mit unseren neutralen Dosen und auch nicht allzu niedrigen Preisen sind wir eben doch nicht konkurrenzfähig. Herr Leys hätte ja Manches wissen müssen, was wir erst im Laufe dieser Woche erfahren haben. Falls wir nun am 1. Hartung ganz zurücktreten, ist Dein Geld so ziemlich verloren, denn viel können wir nicht mehr in dieser Zeit dabei herausholen. Wie ich es Dir jemals zurückgeben soll, weiß ich nicht. Am Schluß dieses Briefes werde ich Dir das Ergebnis der Besprechung zwischen Franz u. Herrn Leys mitteilen. Franz will ja gern weiter ohne Entgelt die Arbeit machen, wenn nur das hineingesteckte Geld wieder dabei herauskommt! – –
Wir hatten uns damals sehr gefreut, Du hier warst u. danken Dir nochmals für Deinen Besuch und alle gehabte Mühe. Inzwischen ist noch eine Kiste mit Obst von Albrecht hier angekommen, und ich kann nur annehmen, daß sie auf Deine Veranlassung abgeschickt wurde. Na, denn allerbesten Dank dafür, die Äpfel verzehren wir schon dauernd, wie schön ist es, wenn man so das Obst einmal haben kann! Wie muß man sonst alles entbehren und sich an dem Notwendigsten genügen lassen? – Deine Familiennachrichten konnten wir nicht besser erwarten. Wenn nur Mies Zustand wieder vorübergehend wäre, so wäre es ja noch gut. Die Kleinen haben die Mutter doch so nötig! Klaus wird ja nun doch erst fortkommen, Rotraud, das süße Geschöpf, wird Dich in all Deinen Sorgen ein wenig trösten. Schwer ist es, wenn nun Burkhard auch nach dem Bruder artet. Dann wirst Du vor Sorge um die beiden Jungen und um Deine Frau garnicht zuende kommen. Dabei ist das Weihnachtsfest so nahe und freuen kann man sich so wenig oder garnicht. Ach, es ist nicht schön für Dich und uns und die vielen vielen anderen!! Das ist gewiß „das glücklichste und freieste Volk der Erde”. Zum Fest schicken wir einen Gruß, ein kleines Päckchen für Dich und die beiden Kinder, und ich werde Deiner gedenken. Bis dahin bin ich mit innigen Grüßen Deine Kläre.
Also, Herr Leys ist alles recht, was wir machen. Wir werden also weiter würfeln, wenn wir nur neben der Miete von 30.– Mk u. andern nicht zu umgehenden Unkosten von vielleicht 20.– Mk, einen Teil des Geldes wieder herauskriegen. Hineinstecken darf man keinen Pfennig mehr. Ich werde sofort, falls etwas übrig ist, für Dich herausziehen. Anderes wissen wir nicht zu tun. Weißt Du etwas Besseres? Soeben bestellen die Alsterdorfer wieder 200 kg Bohnerwachs, das bessert natürlich die Lage wieder etwas.
Hellbrook, am 7. Hartung 1936.
Mein lieber Georg,
besten Dank für Deinen letzten Brief, Diegos Geburttagkarte und Geldsendung. Nun liegt auch das diesmal für Dich so schmerzliche Weihnachtfest hinter Dir und das neue Jahr hat angefangen. Was wird es bringen? Eine große und bange Frage für Dich. Wie oft sprechen wir von Dir und dann scheint mir der eigene Kummer daran gemessen so klein. Immerhin, wir waren den Verhältnissen entsprechend gesund beisammen und hatten trotz allem viele schöne Stunden in der Freude der Kinder und der Schönheit und Liebe des Weihnachtsfestes. Dann kam Hedi zu Diegos Geburttag, den wir schön begingen. Mit Hedi waren wir viel fort zu unseren Bekannten, zu Besorgungen, sodaß die Zeit wie im Fluge dahinging. Am Altjahresabend reiste sie wieder ab und schrieb heute sehnsuchtsvoll ihren ersten Brief, weil sie so gern hiergewesen war und es so schmerzlich bedauert, daß wir nicht näher zusammen wohnen. Wie mir Hedi mitteilt, beabsichtigt Mutti, zu Trudi’s Geburttag nach Wünsdorf zu fahren und auch Dich für einige Tage aufzusuchen. Ich finde das ja immerhin im Winter ein ziemliches Unternehmen und hoffe, daß es Mutti nicht zu viel wird, auch keine größere Kälte inzwischen einsetzt.
Klaus wird dann wohl bald seine große Reise antreten. Wer bringt ihn denn fort? Er kann doch nicht allein reisen. Hoffentlich bekommt ihm der Aufenthalt im Riesengebirge so gut, wie wir es für ihn erhoffen. So ist nun Rotraud allein bei ihr, denn Burkhard bleibt doch gewiß noch lange im Heim, bis sich Mies Zustand in irgendeiner Weise entschieden hat.
Mit Rotraud werdet Ihr ja noch weniger Mühe haben als mit Klaus, und es ist wohl anzunehmen, daß Euer Mädchen ganz gut mit ihr fertig wird. Wie Du sagtest, ist Eure Herta ja zuverlässig, was ja die Hauptsache ist. Natürlich kann sie die Mutter ja nicht ersetzen. Aber wir hoffen ja alle mit heißem Herzen, daß Mies augenblicklicher Zustand ein vorübergehender ist und sie ihre Aufgabe im Leben noch weiter wird erfüllen können. Entlasten müßtest Du sie zwar in jedem Falle erstens durch eine kleinere u. gesunde Wohnung, zweitens durch Befreiung, wenigstens zeitweise, von dem unruhigen Klaus. Ihr seid Euch schließlich doch die nächsten. Es rächt sich schlimm genug, daß Du aus Rücksicht auf die Schwiegereltern, das schreckliche Opfer gebracht hast, in die Stadtwohnung zu ziehen.
– – – Wir fangen nun im neuen Jahr eigentlich mit der Ebowa noch mal von vorn an. Möchte unser erneuter Versuch diesmal etwas mehr Erfolg haben als der im alten Jahr. Unser neuer Versuch stützt sich hauptsächlich auf den neu gewonnenen Vertreter für Hamburg, der sich auch eine Lebensmöglichkeit damit gründen will und alle Kraft dran setzt, das Geschäft in Hamburg in Gang zu bringen. Er war früher Kampfgruppenleiter in Hamburg u. besitzt als solcher ungezählte Verbind[un]gen zu L. Anhängern. Ihm ist durch die L. Buchhandlung außerdem alles Anschriftenmaterial zur Verfügung gestellt. Natürlich ist die Arbeit peinlich mühsam zu Anfang. Aber Herr Göddeke ist sehr zähe, hat schöne Erfolge bisher, auch an kleineren Betriebe usw., sodaß es vielleicht durch ihn gelingt, eine größere Kundschaft in der Stadt zu gewinnen. Auf dem Lande arbeitet unser Vertreter Herr Kuntze ja ganz gut. Nach außerhalb sind wir im Augenblick nicht konkurrenzfähig. Im übrigen sind wir dabei, doch einen Dosenabschluß zu machen. Die Braunschweiger Blechdosen Werke werden uns wahrscheinlich die Dosen liefern (Abschluß auf je 3000 Dosen B. Wachs u. Schuhkreme) mit eigener Marke. Abnahme 6 Monate, Preis günstig. Wertobjekt ca. 500.– Mk. Keine der anderen Firmen, wir hatten ca. 10 Anfragen herausgeschickt – hat überhaupt ein Angebot gemacht. Was soll man sich dabei denken? Haben sie soviel zu tun oder können sie nicht liefern? Bei der Braunschweiger Firma sind wir immer sehr gut bedient worden und hoffen das auch von diesem Abschluß. Den Vertreter erwarten wir morgen oder übermorgen. – So, das wäre die Geschichte.
Zu Trudi’s Geburttag wirst Du wohl, wenn irgend, möglich in Wünsdorf sein. Ich nehme fest an, daß Ihr dort am Sonntag alle zusammen sein werdet, weil ja am Montag für die weiten Entfernungen die Zeit zu kurz ist. Trudi schickte mir auch ein schönes Weihnachtgeschenk u. Diego zu seinem Geburttag ein Päckchen. Wir schreiben noch zum 13. nach Wünsdorf.
Dich und Deine kleine Rotraud u. Klaus herzlich grüßend bin ich mit den innigsten Wünschen für Mies Genesung
Deine Kläre.
Hellbrook, am 8. Ostermond 1936.
Mein lieber Georg,
herzliche Grüße senden wir Dir alle zum Osterfest und wünschen, daß Du es wenigstens mit einem Deiner Kinder zusammen verleben kannst. An Mies Zustand wird sich inzwischen wohl nichts Wesentliches gebessert haben, sonst hättest Du es wohl mitgeteilt. Ja, da mußt Du viel Geduld haben! Das ist das Traurigste dabei: Du hast eine Frau und hast doch keine! Nun mußt Du immer warten, was wird. –
Wir danken Dir für Deine letzten Sendungen, auch Wolfgang für sein Geburttaggeschenk. Von den verschiedenen Geldgeschenken bekam er Stiefel, Windjacke und einen kl. Morseapparat. Deine alte Windjacke hat nun ausgedient. W. hat sie noch 2 Jahre ununterbrochen getragen. Wir haben einen sehr schönen Geburttag gefeiert. Es waren 8 Kinder da und 2 Mütter. Es war als Schulkind Wolfgangs letzter Geburttag. Im nächsten Jahre, falls wir es erleben, feiern wir dafür seine Schulentlassung, seinen Eintritt ins Leben. Der Gedanke ist mir heute noch schrecklich, daß mein kindlicher Junge dann schon ins Leben hinaus soll, d.h., wenn er eine Lehrstelle in der Elektro-Technik findet, was ja noch lange nicht gewiß ist. – –
Mit Trudi und mir ist es nun wohl ganz vorbei. Sie hatte mir einen wenig freundlichen Brief geschrieben – vielleicht war es ja von ihr nicht so schlimm gemeint, wie ich es empfunden habe – jedenfalls machte sie mir Vorwürfe, daß ich mich beklagt hätte, daß Ihr mir nicht hülft, was mir allerdings nicht bewußt ist. Auch behauptete sie, Du hättest uns in der letzten Zeit „500 Mk mindestens” geschickt. Ich bat sie daraufhin um Rücksendung meines letzten Briefes und habe dabei wohl ziemlich harte Worte gesagt. Ich hätte mich vielleicht etwas freundlicher ausdrücken können. Sie hat mir daraufhin nicht geantwortet und mir auch den Brief nicht zurückgeschickt. Ich hoffe ja, daß Du ihre Ansicht nicht teilst, daß ich undankbar gegen Dich bin. Im Gegenteil, denke ich stets mit tiefster Dankbarkeit an Deine viele Hilfe, durch die uns überhaupt unser wenn auch kümmerliches Leben nur möglich ist. Ich verstehe nicht, wie sie aus meinem Brief herausgelesen hat, daß ich mich über Euch beklage.
Die Arbeit an der Ebowa macht Franz noch weiter. Er bezieht ja seine Unterstützung, und das Geschäft scheint langsam etwas besser zu werden. Vielleicht können wir doch noch mal davon leben. Es gehört Zeit und Mühe dazu, das Geschäft sozusagen neu zu schaffen. Unser Hamburger Vertreter arbeitet sehr zähe und gut. Franz macht die Arbeit gern und er hofft auch auf die Zukunft. Die Oel- und Wachsfrage hat sich wieder ganz gut geregelt, sodaß nach allerhand Versuchen wieder gleichmäßiger Ware geliefert werden kann.
Ich selbst war in den letzten Monaten recht elend, litt besonders an einer entsetzlichen nervösen Schlaflosigkeit. Mit den wärmeren Tagen ist es besser geworden, auch mußte ich mich entschließen, ein Brompräparat zu nehmen. Die Kinder genießen ihre Ferien. Augenblicklich sind wir beim Garten fertigmachen. Wolfgang gräbt um, Diego kratzt das Unkraut fort, Franz macht den Graben, ich die Beete und die Saat. Morgen haben wir den ganzen Tag wieder für Gartenarbeit bestimmt. Dann sind wir bald fertig. Bist Du schon mal hinausgefahren, hilft Dir jemand? – – –
Mit nochmals innigstem Dank für alles Gute, das Du uns getan hast, sind wir alle mit vielen herzlichen Grüßen
Deine Kläre, Franz und die Kinder.
Hellbrook, am 22. Scheiding 1936.
Mein lieber Georg,
herzlichen Dank für Deine Glückwünsche zu meinem Geburttag und das Geldgeschenk. Ebenso für den monatl. Betrag. Leider kann ich Dir kein Postscheckkonto unseres Hauswirtes aufgeben, da er selbst keins hat. Doch ist die Nichte mit einem Geschäftsmann verlobt, dessen Konto ich gewiß benutzen könnte zur Überweisung. Ich muß mich noch darnach erkundigen. Gleich vorweg noch eins, um es nicht wieder zu vergessen. Du botest mir einmal einen alten Mantel von Dir an. Ich habe damals ganz vergessen, darauf zu antworten. Hast Du ihn noch, so schicke ihn bitte. Zu einer Joppe oder Hose für Diego wird’s schon noch reichen. Besten Dank im voraus für Deine Mühe – falls Du uns gelegentlich Deines hagenower Besuches mit den beiden Kindern in den Herbstferien aufsuchen würdest, würden wir uns alle außerordentlich freuen. Hoffentlich läßt es sich einrichten. Evtl. könnte ich Lagerstatt auf eine Nacht einrichten. Unsere Jungens würde Frau Hering zum Schlafen hinnehmen. Dann hätten wir etwas mehr Zeit. Na, sieh’ mal zu und schreibe mir dann. Auch was die Kinder gern essen. –
Vielen Dank noch für Deinen letzten längeren Brief. Hoffentlich arbeitet das junge Mädchen weiter zu Deiner Zufriedenheit und hält Haushalt und Kinder in Ordnung. Mein lieber armer Bruder, wie schmerzt es mich, daß Du auf so traurige Weise Deine Frau und Dein Glück verlieren mußt. Welch ein hartes und trauervolles Schicksal. Es kann Dir ja niemand nachempfinden, was Du ganz allein an qualvollem Leid durchmachen mußt. Es kann Dir ja auch niemand helfen. Selbst die Zusicherung der innigsten Anteilnahme kann das Leid nicht mindern. Vielleicht findest Du in unbewußter deutscher Gotterkenntnis die Kraft, Dein hartes Schicksal auf Dich zu nehmen, nicht daran zu Grunde zu gehen, sondern vom Leide reifer gemacht, Deiner Lebensaufgabe weiter zu leben. Erschwerend kommt hinzu, daß Du nie zur Ruhe kommst, nie vollständig abgeschlossen haben kannst. Es fordert fast übermenschliche Kräfte von Dir. Wie gern würde ich mal hin und wieder bei Dir sein. –
Nun will ich Dir noch von der Ebowa erzählen. Natürlich hast Du damals in allem recht gehabt. Ich habe ja auch niemals gesagt, daß Du es nicht gehabt hättest. Vielleicht wäre es bei der Erfahrung, die Du bereits in diesen Dingen gehabt hast, richtiger gewesen, wenn auch damals härter, Du hättest „nein” gesagt. Leider war bei uns der Wunsch, etwas zu werden und zu erreichen, damals ausschlaggebend und außerdem hat die unrichtige Darstellung, die uns Herr Leys gegeben hat, dazu beigetragen, uns so versessen darauf zu machen. Ohne ein kleineres Kapital zur Hand, ist eben heute in einem solchen Betrieb nichts zu machen. Es blieb eine ewige Murkserei. Auch ist Franz ja wohl kein Geschäftsmann, wie er hierzu nötig gewesen wäre. Er ist nicht zähe genug, um immer wieder los zu gehen. Und ich kann es allein auch nicht. Dazu kommt bei mir die viele Arbeit mit dem Hausstand, Kindern, Näherei, Garten usw., dazu die Jahre um 45, die sich doch dann u. wann recht unliebsam bemerkbar machen, vor allem im Winter durch diese entsetzliche Schlaflosigkeit. – Nachdem wir Herrn Leys gründlich über sein Geschäft aufgeklärt haben, mußte er sich wohl oder übel dazu bereit erklären, die Ebowa an einen uns befreundeten Herrn Frense sehr billig abzugeben, eigentlich nur für das Inventar, denn mehr ist die Fabrik auch nicht wert. Herr Fr. hat etwas Geld, hat gleich reichlich Wachse, Oele, Dosen usw. hingelegt, ist im übrigen schon sonst Bo. Wa. Fabrikant u. hat dies nur noch so dazu gekauft. Franz fertigt nun die Ware gegen Bezahlung von 3 f pr Kilo an u. bekommt außerdem den Gewinn über dem Herstellungspreis für alle Verkäufe, die er mit den im letzten Jahre selbst gewonnenen Kunden oder neu hinzukommenden tätigt. Es ist ja nicht viel, aber zu dem Stempelgeld, daß er weiter bezieht, ist es immerhin etwas Zuschuß. Bei dem anderen war ja garnichts übrig.
Von dem von Dir geliehenen Geld ist natürlich nicht viel übrig geblieben. Ich habe noch 70 – 80 Mk davon. Legst Du Wert darauf, es zurückzunehmen, wenn Du im Gilbhard zu uns kommst, so sage es bitte. Es ist ja nicht gerade schön, daß diese Episode so geendet hat und ich sehr viel Kummer und Sorge noch obendrein dadurch gehabt habe. Ganz vergeblich war es allerdings auch nicht. Franz hat immerhin eine Arbeit und was an der Hand, was er gerne tut. Auch verdient er ja doch mindestens 20 – 30 Mk im Monat dazu, während vorher vielleicht 5 Mk von uns verbraucht wurden.
Wir sind Dir also nach wie vor zu großem Dank verpflichtet. Vielleicht kommt noch einmal eine Zeit, wo ich an Dir oder Deinen Kindern Deine Sorge und Liebe für uns wieder gut machen kann. Leider kann ich bisher so garnichts tun, da ich selbst zu sehr gebunden bin. Aber das soll ein Feiertag werden, wenn Du mit Deinen lieben Kindern zu uns kommst. Nun mach’ es bitte wahr und laß Dich innigst grüßen von Deiner
Schwester Kläre.
Lieber Georg, als ich den Brief zum Postkasten bringen will, ist er mir ins Rad gekommen u. so zerknittert. Den Umschlag habe ich noch mal umgeschrieben.
undatiert
Lieber Georg,
ich danke Dir vielmals für Deinen und Klauschens Brief. Das hat er aber schön gemacht und wir haben uns alle recht sehr über seine Mühe gefreut. Ich weiß, was es bedeutet, wenn Kinder einen Brief schreiben. Es ist mehr als Mühe für sie, darum darf es auch ja nicht zu oft sein. Meine heutigen Zeilen solltest Du eigentlich schon zum Sonntag haben, weil Du ja Dienstag doch wenig Zeit haben wirst, aber nun komme ich doch erst heute am Sonntag zum Schreiben, weil am Abend immer noch soviel zu erledigen ist. Also, herzliches Gedenken zu Deinem Geburttag, gute Wünsche für Gesundheit und Lebensmut. An dem, was ist, läßt sich ja nichts mehr ändern, nun heißt es also, auch unter den gegebenen Verhältnissen tapfer stehen und das Leben mit neuen Werten erfüllen. Der tiefe Unterton von Leid wird zwar immer bleiben, wahrscheinlich wird auch noch mehr Leid kommen, aber deswegen hat das Leben doch noch Sinn und ist nie vergebens. Wo Pflichten gegen sich und andre sind, da ist Sinn und Ziel. –
Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid und den Nachmittag oder Abend gemütlich miteinander verlebt. Vielleicht ist sind Trudi und Erich bei Euch am Abend. Wolfgang hat gerade einen Brief an Onkel Erich geschrieben und ich will noch einige Zeilen an Trudi beifügen. –
Mir geht es soweit gut. Ich fühle mich sehr wohl, sowohl körperlich wie auch geistig. Meine Arbeit konnte ich sehr gut leisten und bleibe ja nun bis Ende März am F. A. Ich sprach inzwischen mit unserem Steuerinspektor und dem Personalchef, auch wegen einer festen Anstellung. Zur Zeit ist zwar kein Platz frei. Aber alle Herren, für die ich gearbeitet habe, auch der Ober –, sind außerordentlich zufrieden mit meinen Leistungen gewesen und stellen mir alle das beste Zeugnis aus. Jedenfalls habe ich alles getan, um eine Anstellung zu ermöglichen, das Richtige habe ich schon gesagt, da kannst Du sicher sein. Ich muß mir selbst ein gutes Zeugnis ausstellen, daß ich das fein verstehe. Jedenfalls brauche ich über meine Leistungen u. mein Benehmen nichts zu sagen, das sprach für sich selber. Inzwischen trat auch einer der Inspektoren aus Abtlg. Ehestandsdarlehen u. Kinderbeihilfen privat an mich heran und bat mich, alles vorzubereiten bei den Herren, wo ich nun inzwischen war, damit ich auch ab 1.4. dauernd dabliebe. Er hat die Absicht, mich für seine Abtlg. als Stenotyp. anzufordern, da er durch mein zeitweiliges Arbeiten für ihn der Ansicht ist, daß er mir vor allen übrigen – auch Herren – durchaus den Vorzug geben würde.
Ich muß nun mal abwarten, was wird. Jedenfalls lege ich diese Woche noch ein zweites Eisen ins Feuer, da mir von anderer Seite noch ein anderer Vorschlag gemacht wurde. Etwas wird ja wohl glücken. Vorsichtig muß ich zwar mit Allem sein, darf niemanden übergehen oder kränken, aber ich hoffe, ich schaffe es schon. Es gefällt mir sowohl die Arbeit als auch das Zusammensein mit den vielen Berufskameraden und Vorgesetzten sehr gut. Ich fühle mich durchaus nicht alt unter ihnen und kann gut mit Allen fertig werden, das ich scharf meine Rechte beanspruche und verteidige, wirst Du Dir denken können. Jedenfalls lasse ich mir nichts gefallen und bin dabei bisher nicht schlecht gefahren. Eine Sonderstellung nehme ich bestimmt ein.
Auch in polit. Beziehung habe ich trotz Orden- u. Ehrenzeichen mehrere gute Freunde unter den Beamten. Während der letzten Berliner Affaire, die uns tief erschüttert hat, ebenso wie z.Zt. der Tod Ludendorffs, war im Amt eine ungeheure Erregung. Meine Stellungnahme wirst Du wissen, ohne daß ich sie Dir mitteile und Du wirst auch ahnen, was wir für die Zukunft Deutschlands durch diese Maßnahme befürchten. Ich wünschte, hinter die Kulissen in Berlin sehen zu können. Ich glaube nicht, daß der nächste Sonntag mehr enthüllen wird als was wir bereits wissen. Ich vergleiche dabei diese Angelegenheit mit einer anderen Affaire, die auch einmal war. Du wirst wissen, was ich meine. – Diego kommt Freitag zurück. Wir freuen uns darauf. Er ist nun auch wohl froh, …
undatiert
Lieber Georg,
Du wirst Dich gewundert haben, daß ich solange nicht schrieb, nachdem wir in Hagenow nicht einmal voneinander Abschied genommen hatten. Ich kam eben nach Eurer Abfahrt an und war sehr traurig, Euch nicht mehr gesehen zu haben. An die Möglichkeit hatte ich garnicht gedacht, da Ihr ja eigentlich zum Baden wolltet, falls das Wetter schön gewesen wäre. Na, darin war ja nun nichts mehr zu ändern, und für Dich war es wohl besser so. Ich habe in den 3 Wch. in Hag. noch tüchtig Blaubeeren gepflückt allerdings mit so großer Anstrengung, daß ich ganz krank in Hamburg ankam und sofort zum Arzt lief. Er stellte nur Überanstrengung fest. Na, inzwischen habe ich mich nun erst wieder erholt. Dann ging ich gleich zum Arbeitsamt, verschaffte mir alles Notwendige, und versuchte, eine Stelle zu bekommen. Ich hatte auch schon beinahe eine, zuletzt scheiterte es wohl doch daran, daß ich nicht gut genug Stenogr. u. Schreibmaschine schrieb. Ich habe mich dann sogleich wegen eines Kurses umgesehen in der d. Arbeitsfront und mußte mich sozusagen hineindrängeln, da die neuen erst am 1. Okt. anfangen. Es ist mir auch gelungen, den Platz einer fortbleibenden Dame einzunehmen und nun fahre ich jeden Tag in die Stadt von 9 – 5 oder 1 – 5 und übe wieder nach. Im Stenogramm habe ich es schon wieder auf 180 Silben gebracht u. Schreibmaschine geht auch schon ganz gut, sodaß ich schon über 200 Anschläge in der Minute habe. Ich denke, nach 3 – 4 Wochen kann ich wieder allerlei, hoffentlich gelingt es dann, eine Stelle zu finden. Allzu dicht gesät sind sie nicht, wie ich mich verschiedentlich überzeugen konnte, aber es mag ja glücken, da ich doch immerhin etwas kann, jedenfalls mehr als viele andere, die sich auch bewarben. Es sind jedenfalls viele viele ältere Frauen und Mädchen, die eine Stelle suchen. –
Franz hat seit 14 Tagen eine Stelle als Aushülfe für Abschlußbuchungen von einer Hellbrooker Marzipanfabrik. Er bekommt bei 6 Std. Arbeit 25 M in der Woche. Nachher trägt er seine Zeitungen aus. Leider ist die Vertretung nur auf ca. 4 Wochen. Es ist sehr schade, daß er da nicht für dauernd ankommen kann, doch sind außer dem Chef u. Prokuristen nur Damen im Kontor, die alle Arbeit erledigen. Diese Arbeit war eigentlich mir zugewiesen, aber ich habe sie Franz verschafft. Es macht ihm viel Freude, vielleicht kann er ja noch etwas länger dableiben. Na, wollen abwarten.
Wir sind eigentlich alle den ganzen Tag außer Hause. Abends koche ich und dann macht sich jeder sein Essen warm. – Ich habe vergessen, Deinem Burkhard zu seinem Geburttag zu schreiben und sage hier nachträglich meine Glückwünsche für sein neues Lebensjahr. Hoffentlich sind alle Kinder gesund und munter bei dem herlichen Herbstwetter. Gewiß habe ich mich sehr gefreut, daß Trudi nun ein gesundes kleines Kindchen hat. Es ist mir aber doch sehr schmerzlich, daß sie nicht Gelegenheit genommen hat, mir dieses frohe Ereignis mitzuteilen, wie sie mir auch nach Hagenow in ihrem Brief keinen Gruß übermittelt hat, als ich in den Ferien da war. Ich hätte ihr gern geschrieben und ihr meine herzlichste Freude und Wünsche ausgesprochen, aber wahrscheinlich will sie es nicht, sonst hätte sie ihrer Schwester doch einmal ein Wort schreiben können. Aber ich will mich nicht aufdrängen und habe diese Schwester ganz verloren, seit Erich in ihr Leben getreten ist. Das schmerzt –
Wenn Du einmal Zeit findest, schreibe mir einige Zeilen über Deine kranke Frau und ob schon Klarheit in irgendwas herrscht. Du wirst viel mit Dir und Deinen lebensnotwendigen Dingen zu tun gehabt haben, wäre es doch erst einmal alles hinter Dir. – –
Ich grüße Dich und die Deinen
herzlich
Deine Kläre.
Konntest Du die Miete noch schicken? Wenn ich doch nur bald verdienen würde, damit ich selbst bezahlen könnte! Inzwischen noch vielen hrzl. Dank.
undatiert
Mein lieber Georg,
Du sollst doch an diesem für Dich so unendlich traurigen Tage wissen, daß wir in Gedanken mit Dir an Deinem Leide tragen. Es ist überflüssig, sich die Frag zu stellen, warum Dich dieses furchtbare Schicksal treffen mußte. Ob es hätte vermieden werden können, wenn man damals so klug wie heute gewesen wäre? Vielleicht. Für Dich war es jedenfalls Schicksal, Dich von außen treffend, nicht von Menschen geschaffen, ähnlich dem, das ich erleide und Trudi schließlich auch. Heute wäre dieses Schicksal dank des Rasseerwachens unseres Volkes nicht mehr möglich. Aber wir müssen es nun alle tragen, Du das Deinige, wir das unsrige. Aber das Deinige ist besonders schwer, und an all den Tagen der Liebe lastet es fast unerträglich. Kein Ende – Leid in alle Zukunft. Wie und wo findest Du den Ausgleich? Warum nur vermagst Du keine neue Heimat in unserer Weltanschauung zu finden? Sie würde Dir Hilfe und Anker sein können. Wie oft denke ich darüber nach – und kann Dir doch nicht helfen. Was bleibt Dir sonst? Das bißchen leichte Zerstreuung, vielleicht auch mal ein etwas wertvolleres Gespräch. Es hilft Dir zwar nicht, über das Leid Herr zu werden, aber gewiß, wenn Du es kannst – so wird es Dir eine zeitlang über das Leid hinweghelfen. Mir würde das nichts nützen. Aber wahrscheinlich bist Du auch etwas anders als ich, und ich darf Dein Seelenerleben nicht ganz so messen wie meines, wenngleich wir beide von den Geschwistern darin wohl noch am meisten gleichen. Du mußt so den Weg zur Überwindung und zum Tragenkönnen des Leides gehen, der Dir gemäß scheint. So kann ich nichts tun, als Dir nur immer wieder von meiner innigsten Anteilnahme sprechen. – Ich danke Dir für Deine lieben Zeilen. Vor allem wünsche ich den Kindern gute Besserung für Weihnachten. Im übrigen sind wir durchaus keine Gegner des Ruodprecht oder Rupprecht, wie er schon unsern Ahnen bekannt war. Nur wird es bei uns nicht ins Christliche verdreht, ebenso wie der Julkranz und der Weihnachtbaum am Weihnachtfest. Über all das gibt es im großen wie im kleinen einschlägige Literatur. – Bei uns sah es in diesen letzten 4 Wochen auch nur betrüblich aus. Ich konnte meinen Bronchialkatarrh nicht los werden, mußte fast immer zu Bett liegen. Dazwischen bekamen Diego, ich und Franz die Grippe. Es war nicht mehr schön. Wolfgang war unsere einzige Stütze, er bekam sie nicht. Überall war die Grippe, sodaß keine Hilfe möglich war. Zuletzt kam dann Frau Hering und half ein bißchen. Ich bin auch heute noch nicht ganz wieder in Ordnung, obgleich ich seit 8 Tagen auf bin und etwas arbeite. Ich kann mich garnicht wieder erholen. Unser Arzt tut, was er kann. So hat er auf 6 Wch. Butter u. Milch für mich erwirkt. Aber im übrigen wird die N.S.V. nicht weiter helfen können, Franz war gestern selbst bei dem Leiter. Man tut wohl mehr etwas für die Parteizugehörigen. –
Da meine Krankheit weit mehr als sonst an Kohle, Licht u. allem möglichen gekostet hat und ich jeden Pfennig brauche, so nimmst Du es uns gewiß nicht übel, wenn wir dieses Jahr kein Weihnachtspäckchen für die Kinder schicken. Sie bekommen ja sicher das, was sie sich wünschen. Unsere Jungen werden ihnen allen bunte Karten schreiben. Ich möchte nirgends wohin Päckchen schicken, unsere Lage ist zu elend. Nur, wenn Deine Kinder darauf warten, so würde ich ein paar Kleinigkeiten für sie besorgen. Ich weiß, wie Kinder an so etwas manchmal hängen können. In diesem Falle schreibst Du mir noch eine Karte. Wolfgang kann auch nichts sägen, ich kann das Geräusch nicht aushalten. So haben auch wir dieses Jahr keine schöne Vorweihnacht. Hoffentlich wird es zum Fest noch etwas besser mit meiner Gesundheit, ich hoffe, ich in den nächsten Tagen zum ersten Mal raus gehen zu können. Vielen Dank für Dein Weihnachtsgeschenk. Etwas muß ich für die Jungen doch noch besorgen, Wolfgang ein Buch, Diego etwas für die Soldaten.
Herzl. Grüße an Euch alle. Innige Grüße Dir
von Deiner Kläre
undatiert
Lieber Georg,
es ist heute so schön ruhig um mich herum, die Kinder feiern Geburttag bei Rudolf Hering, so will ich denn heute schon die Zeit benutzen, um Dir zu schreiben. Wenn zwar Dein Geburttag erst in einigen Tagen ist, so denke ich, wird Dir mein Gedenken auch heute schon recht sein, zumal Du voraussichtlich um den 15. herum garnicht zu Haus bist. Ich danke Dir für Deine lieben Zeilen vom 31.3.37. Lange schon habe ich Dir schreiben wollen, aber Oststurm und Kälte ließen zu garnichts kommen. In unsern Vorderzimmern waren morgens 4 ° Kälte, sodaß wir das Heizen aufgaben und eng um den kleinen Küchenherd herum den Abend erwarteten, um dann wieder ins Bett gehen zu können. Dazu mußten wir die Kinderbetten in der Küche aufstellen, weil sie es vorne nicht aushalten konnten. Bei uns im Schlafzimmer, das Südseite liegt, war es ganz erträglich. So waren wir also zur Untätigkeit verurteilt und niemand war froher als wir, als endlich dieser furchtbare Wind aufhörte. Seit gestern ist nun zwar wieder Ostwind und etwas Schnee, aber es ist nicht so kalt, dabei kann man es aushalten.
Ich wünsche Dir recht schönes Wetter, wenn Du nun nach Süddeutschland fährst und ein wenig Ablenkung und Erholung in der schönen Landschaft und den Stätten, wo Du als junger Student so gern geweilt hast. Mir ist Freiburg nun darum besonders nahe gekommen, da Frau Dr. Ludendorff dort lange Naturwissenschaften und Medizin studiert hat und in ihrem Buch: „Durch Forschen und Schicksal zum Sinn des Lebens“ viel aus dieser Freiburger Zeit, besonders aus ihrem Studium bei dem berühmten Zoologen Prof. Weismann berichtet. Seine Erkenntnisse über die potentielle Unsterblichkeit der Einzeller sind für sie die Grundlage geworden, die im Laufe der Jahre zu ihren philosophischen Erkenntnissen geführt haben.
Auch landschaftlich hat ihr diese Gegend viel gegeben, und so wünsche ich auch Dir, daß Du dort wieder einen seelischen Ausgleich – Einklang Deiner Seele mit dem Göttlichen, wie wir nach unserer Gotterkenntnis sagen, finden möchtest. Die Natur ist etwas, das uns am besten dazu helfen kann. Ebenso auch alle wahre Kultur, d.h. die Werte, Taten und Worte, die aus Einklang mit dem Göttlichen geworden sind. Während wir aber die Natur in Stille und Einsamkeit finden können, treten uns die Werke der Kultur mit soviel Drum und Dran entgegen, daß das oft störend wirkt und Hindernis sein kann, die Seele zum Göttlichen zu erheben. Gerade Du mit Deinem schweren Leid brauchst nicht Betäubung, sondern Stärkung Deiner seelischen Kräfte, die Du eben nur in der Natur, in der Kultur und im Umgang mit Menschen haben kannst, deren Seele selbst auf das Göttliche – das Gute, Wahre, Schöne gerichtet ist. Der Alltag fordert soviel der gewonnenen Kraft wieder zurück. Bei Dir kommen noch die Kämpfe um Dein so schmerzvoll verlorenes Glück dazu. Wenn Du nur alles für Deine arme Frau getan hast aber menschliche Hilfe an ihrem Zustand nichts zu ändern vermag, so mußt Du Dein Schicksal, denn von einem solchen können wir hier sprechen, da es nicht durch Menschen geschaffen ist, auf Dich nehmen und abschließen mit dem, was Dir einst Glück und Lust gewesen ist. Suche neue Kraft, wie ich es Dir erst schilderte, und Du wirst neue Kraft finden, Dein Leben auch ohne das gewesene Glück und Lust, Deiner würdig, zu tragen. An den Kindern tust Du, was Du kannst. Du siehst mit wachen Augen auf sie, hältst von ihnen ab, was möglich ist und ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit schadet. Mehr kannst Du nicht tun. Das andere ist dann auch Schicksal, gegen das Du sowieso machtlos bist. Du erfüllst Deine Pflichten im Beruf und nimmst die Verantwortung auf Dich, die das Leben durch Deine Kinder auf Dich ladet. So bist Du nicht Opfer, sondern Herr deines Schicksals geworden, und das macht dann Deine seelische Größe, Deinen seelischen Wert aus. In dem hier Gesagten liegen meine innigsten Wünsche für Dein künftiges Leben drin und ich glaube, hoffen zu dürfen, daß es Dir gelingen wird, diesen Weg der Befreiung, der Beherrschung Deines Schicksals zu gehen. – – – –
Besten Dank für das reizende Bildchen Deiner Kinder und dank für Überweisung des Mieteteils, die Du wohl inzwischen vorgenommen hast. Was meine Gesundheit anbelangt, so war ich heute morgen nach 4 wöchiger Pause erneut bei unserm Arzt. Er hat nochmals gründlich die Lunge untersucht, kann aber nichts finden, außer einer kleinen Schwäche der linken Lungenspitze. Um den quälenden Hustenreiz, an dem ich seit meiner Erkrankung im Winter leide, zu beseitigen, bekomme ich jetzt Opiumtabletten. Es ist zwar nur eine kleine Dosis, aber immerhin bin ich von dem Gift nicht sehr erbaut. Doch muß der Husten beseitigt werden und da muß man dann zu dem „kleineren Übel“ greifen. Luftveränderung, Höhenluft, das wäre das richtige Mittel. Wir haben leider kein Geld dazu. Die Krankenkasse hat auch keins und die N.S.V. auch nicht. Jedenfalls gibt sie das bißchen, was sie hat, nur für junge Mütter aus, die noch Kinder bekommen, aber nicht für die Älteren, die können ruhig aussterben. An der Erfahrung und Weisheit des Alters ist nichts gelegen, alles übermittelt die Partei, da wirkt der Einzelmensch nur störend, wenn er mit eigenen auf seelischer und naturwissenschaftlicher Grundlage gewonnenen Erkenntnissen dazwischen kommt. Meine Worte mögen Dir etwas bitter erscheinen, aber es ist schon leider so. –
Ich hoffe ja, da ich mich sonst wieder bedeutend wohler fühle, durch den Einzug des Frühlings und der Sonnenstrahlen für diesmal noch meinen Jungen und Franz erhalten zu bleiben, vor allem, ihnen auch wieder etwas mehr sein zu können. Durch das ewige Elendsein war ich dazu zeitweise ganz unfähig. Und die Jungens haben ihre Mutter in diesem Alter noch so sehr nötig. Da Wolfgang bereits weit in der Entwicklung fortgeschritten ist, habe ich eines Tages vielleicht vor ½ Jahre Gelegenheit genommen, ihm in einer schönen stillen Stunde, wo er neben mir am Sofa saß, alles das zu sagen, was solch ein junges Menschenkind immer nur von seiner Mutter zuerst erfahren sollte. Es war so innig und so schön, und nie werde ich den Blick scheuer Dankbarkeit aus seinen Augen vergessen „ja Mutti, wenn man das alles weiß, dann muß man doch immer daran denken und sich rein halten bis zur Ehe.“ Nun sprechen wir nicht mehr darüber. Er ist befreit von all dem Grübeln über all das unbegreifliche Geschehen in seinem Körper, er weiß die Gefahren, er weiß die Hilfen, und vor allem weiß er, daß seine Mutter seine Vertraute ist. Das ist doch schön, nicht wahr?
Nun kommt er Ostern aus der Schule und soll dann in die Lehre als Schlosser, eigentlich Motorenschlosser. Wir hatten viel Lauferei, da das Berufsberatungsamt ihn für Elektro-Technik wegen seiner geringen verstandlichen Begabung vor den vielen anderen Bewerbern nicht für so geeignet hält. So mußten wir unsere eigenen Bemühungen aufgeben u. warten nun, ob er durch das Arbeitsamt eine Stelle als Lehrling zugewiesen bekommt. Wir nahmen selbst Gelegenheit, mit dem betr. Herrn vom Arbeitsamt Hamburg zu verhandeln. Die Ergebnisse, zu denen man da in einstündiger Besprechung kam, waren ziemlich trostlos, was den Handwerker, besonders den mit Metallen arbeitenden betrifft. Prosperity!! Im übrigen ist eine Bewerbung in den größeren Betrieben, wie z.B. Adlerwerken, wo wir sehr gute Beziehungen haben, nicht mehr sinnvoll, da die Lehrlingsstellen bereits besetzt sind. Also, warten wir, auf das Amt, hoffen wir das beste!
Na, trotzdem feiern wir am 21. Lenzing Wolfgangs Eintritt ins Leben und werden diesen Tag in deutscher Gotterkenntnis festlich begehen. Mutti und Hedi haben bereits ihr Kommen zugesagt. Sie werden bei Herings wohnen können, so daß Mutti ihre Ruhe hat trotz des Trubels, der in unserer kleinen Wohnung herrschen wird. Wenn gleich die materiellen Genüsse sich auf Kaffee und Kuchen beschränken werden, so müssen wir doch das Kinderzimmer ganz ausräumen, um die Kinder dort unterzubringen. Im Wohnzimmer sitzen dann die Erwachsenen. Vielleicht 20 Menschen werden es im ganzen sein. Die Feier gestaltet sich folgendermaßen: Deutschvolklied, Franz spricht (dem Sinne nach stelle ich den Inhalt zusammen), Lied, dann Vorlesen des lustigen Buches, das Franz zum Tag seines Eintritts ins Leben selbst reimt und zeichnet. Dann Kaffeetafel, Unterhaltung, Spiel. Gegen Abend Vorführung eines drolligen, von uns verfaßten kleinen Stückes, Zwiegespräch zwischen Wolfgang (Schlosserlehrling, der beim Meister um Arbeit vorfragt) und einem Freund von ihm, der den Meister spielt. Zum Schluß vielleicht noch ein Butterbrot. – Schade, daß wir alle so weit getrennt wohnen. Wie schön wäre es, wenn auch Du an unserer Feier teilnehmen könntest! Nur gut, daß Mutti und Hedi da sind, da fühlen wir uns nicht ganz sippenverwaist. Nun, Du siehst, daß wir noch mancherlei vorhaben bis zum 21.3., denn das Vorhergesagte sind mehr oder weniger noch alles Pläne, die in Wirklichkeit umgesetzt sein müssen. –
Ich will nicht vergessen, Dir noch für Diegos Geburttaggeschenk zu danken. Du siehst daraus, wie lange ich Dir nicht geschrieben habe, dafür nun aber auch sehr ausführlich. In bezug auf Rohkost wollte ich Dir schon immer mal sagen, nach Verschiedenem, was ich jetzt durch meinen Arzt und einen Vortrag gehört habe, daß es vielleicht doch geraten ist, die Rohkost nicht ausschließlich zu betreiben, für vor allem bei sonst gesunden Personen, sondern auch mal ein Stück Fleisch und Gekochtes zu essen. Daneben kann man immer Obst und Nüssen und frischen Salaten u. Gemüsen seinen Platz einräumen. Sieh Dir auch Deine Kinder darauf hin an und sei vielleicht doch ein wenig haushälterischer mit absoluter Rohkost.
Und nun, mein lieber Georg, nimm von mir schon im voraus die herzlichsten Grüße zu Deinem Geburtstag. Franz und die Kinder schließen sich hier an. Besten Dank noch für Deinen Vorschlag für den Sommer. Inbezug auf Diego würde ich evtl. gern darauf zurückkommen. Für Wolfgang kommt es ja hoffentlich sowieso nicht in Frage, wenn er in der Lehre ist.
Nochmals herzlichste Grüße!
Deine Kläre.
Hellbrook, 6. August 1939.
Lieber Georg, liebe Irmgard,
ich grüße Euch beide recht herzlich und spreche Euch hiermit meine innige Freude und Anteilnahme aus, daß Ihr Euer Leben auch in Zukunft gemeinsam führen und gestalten wollt. Möge gleichzeitig die Zukunft unseres Volkes sich so gestalten, daß auch die Eure wie unserer aller gesichert ist. Auf Gedeih und Verderb ist die Zukunft des Einzelnen mit der unseres Volkes verknüpft, seit 1914 bis heute; in diesen gefahrvollen Zeiten des Umbruchs, ist es uns allen so klar zum Bewußtsein gekommen.
Nun wünsche ich Euch von Herzen eine schöne und reiche Zukunft! Besten Dank für Eure Karte; doch kann ich nicht recht herausfinden, wo Ihr eigentlich gewesen seid. Die Karte ist von Südtirol und Ihr wart doch an der See. Aus Hagenow hatte ich verschiedentlich Nachricht, da ja auch Diego wieder da ist und mit Klaus und Rotraud schöne Tage verlebt hat. Er ist mit 2 Rädern hier abgefahren und muß sie auch wieder zurückbringen, was ja nicht ganz leicht ist. Aber Klaus hat gewiß viel Freude an den gemeinsamen Radfahrten gehabt und auch Diego hatte auf diese Weise einen lieben kleinen Gefährten. Wir erwarten D. in dieser Woche zurück, am 17. Aug. fängt die Schule wieder an. Für mich war es eine schöne Zeit mit weniger Pflichten zu Hause, da ich viel in der Stadt gegessen habe und nur einige Tage, wenn Gemüse im Garten war, zu Hause gekocht habe. Nach meinem schönen Ferienaufenthalt in … bekam ich hier leider bald darauf einen Grippeanfall und mußte 8 Tage zu Bett liegen. Ich überwand es aber diesmal ziemlich schnell und konnte bald meine Tätigkeit im Geschäft wieder aufnehmen.
Mein Abteilungsleiter, der 3 Monate auf einer Verkaufsreise war, kam Mitte Juli zurück, sodaß dann eine Menge Arbeit von mir geleistet werden mußte und muß. Ich fühle mich doch aber ganz wohl jetzt, schlafe durchschnittlich ohne Mittel und kann meine Arbeit sehr gut leisten. Auch die viele englische Korrespondenz nach Aegyten, Syrien und Cypern, die ich täglich zu schreiben habe, macht mir kaum Schwierigkeiten, wenngleich sie natürlich nicht so schnell vonstatten geht wie die deutsche. Ich muß überhaupt sagen, daß ich wieder außerordentlich gern im Beruf bin, da ja auch das Exportgeschäft besonders interessant und vielseitig ist, und ich nicht daran denke, für die nächsten Jahre wieder aufzuhören. Ich wünsche auch für uns, daß die Zukunft unseres Volkes sich günstig gestalten möge, denn nach den vielen jämmerlichen Jahren würden wir gern noch ein paar bessere haben mögen, wie sie jetzt bei uns anfangen. Es ist ja auch meine Sehnsucht, ein kleines eigenes Haus, draußen, in der Zukunft zu besitzen, und wenn alles gut geht, würde ich gern noch Jahre lang befriedigend tätig sein, um dieses Ziel erreichen zu können.
So ist auch unser Gedeih und Verderb unlöslich mit dem unseres Volkes verbunden.
Zum Schluß grüße ich Euch in herzlicher Freundschaft, auch den lieben Kleinen alles Gute!
Eure Kläre.
7. Okt. 1939
Lieber Georg,
Besten Dank für Deinen lieben Brief, der mir anzeigte, dass Ihr meine Glückwünsche und das Paket erhalten habt. auch ich habe Dir noch zu danken für Dein Gedenken zu meinem Geburttag und den Karton mit den schönen Pralinen. Heute würde es vielleicht schon schwierig sein, ein solches Geschenk zu machen, da alle Schokoladenwaren doch so ziemlich im Handel fehlen. Also nochmals besten Dank! Es hat herrlich geschmeckt.
Es ist mehr als bedauerlich, dass Euer Haus nun wieder nicht weitergebaut werden kann, wie schön wäre es gewesen, wenn Ihr nun gleich nach Eurer Eheschliessung in das neue eigene Heim hättet ziehen können. Hoffentlich wird es noch einmal dazu kommen, dass der Bau vollendet wird und Ihr es in Gesundheit beziehen könnt. Im Augenblick weiss man allerdings noch immer nicht, was die Zukunft bringen wird, doch werden die nächsten Tage ja so oder so die Entscheidung bringen. Franz und ich sind nun ganz entgegengesetzter Ansicht: er meint, es kommt zu Verhandlungen und damit zum Frieden, während ich glaube, dass der eigentliche Krieg nun erst anfängt. Es sind eben alles nur Vermutungen, man wird ja bald sehen. Heute morgen ist ja aus England und Frankreich noch nichts verlautet, man weiss nicht, soll man es zum Guten oder Schlechten deuten. Falls der Krieg weiter geht, so fürchte ich, dass wir noch alle viel zu leiden haben werden, auch vor allem wir hier in Hamburg. Es wird viele Blutopfer kosten, auf beiden Seiten.
9. 0kt. 1939. Da England auch heute noch immer nichts von sich hat hören lassen, muss man wohl annehmen, dass sie es unter ihrer Würde halten, auf die Rede Hitlers überhaupt zu antworten und wir werden nach kurzer Zeit dann die Initiative ergreifen müssen und die Waffen werden sprechen. Es ist furchtbar traurig, dass es dann so kommen muss und ungeheure Opfer an Blut und Gut kosten wird. Wer weiss, wie es in einigen Tagen bei uns aussieht.
Gestern am Sonntag war Wolfgang bei uns. Er war schon am Sonnabend nachmittag gekommen, und ich habe mit ihm einige Besorgungen gemacht, bei denen sein ganzes erspartes Geld draufgegangen ist. Aber ich bin froh, dass er nun einen neuen guten Anzug hat und das nötige Zeug für die tägliche Arbeit, von Strümpfen angefangen über Hemden zur Arbeitshose und Kittel. Wolfgang hat während des Sommers, wo er tüchtig hat ranmüssen, ganz nett verdient, er bekam statt 35.- Mk. monatlich 50.- Mk., wovon er 12O.- Mk. gespart hat. So war ich bei den Einkäufen einer grossen Sorge enthoben, da ich selbst ihm nichts mehr hätte kaufen können. Unsere Firma besteht zwar noch, aber verdient wird garnichts, da wir nicht nach dem Osten orientiert waren, sondern nur nach Westen und Süden und uns dort alle Handelsmöglichkeiten gesperrt sind. Herr Laeisz hat seine Angestellten zwar noch alle behalten und nur die Gehälter gekürzt, aber ich glaube, dass wenn der Krieg nun erst richtig los geht und dann bestimmt nicht so schnell zuende ist, die Firma diese Belastung nicht allzulange wird tragen können und dann ist es über kurz oder lang doch vorbei.
Ich glaube kaum, dass Aussichten bestehen, irgendwo anders anzukommen, da wieder mal alle Betriebe hier in Hamburg entlassen und schliessen und infolgedessen eine ungeheure Arbeitslosigkeit besteht. Ich werde aber trotzdem in den nächsten Tagen mal am Arbeitsamt vorgehen und sehen, ob irgendetwas zu machen ist, trotzdem ich wenig Hoffnungen habe.
Franz ist schon seit Juli ohne Stellung, so langsam sind die Wagen alle herausgezogen worden und nun ist das Geschäft ganz geschlossen, nachdem der Besitzer den letzten Lastzug, den er noch hatte, verkauft hat. Das übliche Pech. Ich bin also wieder am dransten, die ganze Familie mit meinem kleinen Verdienst zu erhalten und Du kannst Dir ja vorstellen, dass es bei meinem kleinen Gehalt bei uns nicht sehr rosig aussehen kann. Alle meine Pläne sind damit natürlich auch ins Wasser gefallen und das bischen gesparte Geld ist längst mitverbraucht. Franz hat mir natürlich die Tatsache, dass er keine Stellung mehr hatte, wieder nach allen Regeln der Kunst solange verschwiegen, bis ich eines Tages in der alten Firma anrief und dort erst die Tatsache erfuhr. Das war für mich gerade keine angenehme Ueberraschung. Na wir schlagen uns nun so durch und solange ich verdiene, haben wir ja auch das Notwendige. Natürlich ist es für mich nicht leicht, erst den ganzen Tag unterwegs und dann noch wieder das Einteilen, das Ueberlegen und die meiste Arbeit im Hause abends noch selbst machen, da ich mir die Frau zum Reinmachen nur noch einmal in der Woche leisten kann, wo sie dann alles einmal sauber macht. Es bleibt an den übrigen Abenden dann noch genug für mich zu tun mit Kochen, bunte Wäsche waschen, plätten, stopfen usw., sodass die Zeit bis 10 Uhr hin ist, kaum dass man es ahnt. Nur Sonnabends und Sonntags ist es etwas besser, aber dann hatte ich bisher immer Einmachen oder Besorgungen oder Besuche usw. Letzten Sonnabend/Sonntag war Wolfgang hier, aber das habe ich ja schon einmal erzählt, ich habe schon ganz vergessen, was ich im ersten Teil meines Briefes geschrieben habe.
Mich soll ja, nur wundern, wie es weiter kommen wird. Ich glaube nicht, dass es zum Frieden kommt, wir würden mit den Engländern wohl auch nicht auf friedlichem Wege zu dem gewünschten Ziel gelangen. Na, wollen abwarten. Es lässt sich ja dann nicht ändern.
Fliegeralarm hatten wir hier zuerst dreimal, davon einmal in der Nacht. Später nicht mehr. Wir haben in Bramfeld uns in unserem Hause einen ganz guten Luftschutzkeller zurechtgebaut, schlimmer ist es hier in der Stadt, da ist es mit den Luftschutzkellern oft recht schlecht bestellt. Ich war jedenfalls schon in ganz fürchterlichen Buden. Unser Kontor liegt auch mitten in der Stadt, 2 Minuten vom Hafen entfernt und es muss nicht schön sein, wenn hier Fliegerangriff ist, bei den engen Strassen und hohen Häusern. In unserem Kontorhaus ist ein ganz besonders schlechter Keller , ich würde da nicht hineingehen, wenn Alarm ist, sondern in einen Keller, der ein Stück von uns als öffentlicher Luftschutzraum liegt. Unheimlich ist es am Abend in der Stadt zwischen den hohen Häusern, wenn alles dunkel ist und nur die Elektrischen gespenstisch darin herumkriechen. Man kann oft nicht Hand vor Augen sehen. Wir haben nichts zu tun im Geschäft, aber doch lässt uns der Chef nicht vor der bestimmten Zeit gehen, sondern wir müssen hier herumsitzen und warten , bis es Schluss ist. Ich verstehe das garnicht. Vielleicht wird es noch anders, wenn es nun erst früher dunkel wird.
Na, nun Schluss, viele Grüsse an Euch alle, hoffentlich noch einmal auf gutes Wiedersehen!
Deine Kläre
Den 8. I. 40.
Lieber Onkel Georg,
vielen Dank für das Geld zu Weihnachten, ich habe mir eine Geldbörse als Weihnachtsgeschenk ausgesucht. Ich bin seit Weihnachten hier in Hellbrook und verlebe meinen Urlaub. Leider ist er Dienstag abgelaufen, die Zeit vergeht immer sehr schnell. Tante Hedi ist ja auch hier. Diego seine Äppelbahn läuft unverwüstlich und läuft wie die Feuerwehr. Aber das kann Dir ja der große Diego selber erzählen, er ist ja schon 14 Jahre und er meint er ist nicht mehr so klein. Tante Hedi erzählte mir das Klaus schon ein Pimpf im Jungvolk ist. Da freut er sich wohl. Diego ist schon in der H.J. und der Dienst von 8 – 10 Uhr abends.
Aber Mutti und Pappi erlauben es nicht.
Viele Grüße an Dich und
Deine Familie
von Wolfgang.
undatiert
Lieber Georg, schön ist ja ein Geburtstagsbrief mit der Maschine geschrieben nicht, aber da ich gerade Zeit habe, will ich diese doch ausnutzen, um Dir einige Zeilen zu schreiben, zumal die wenigen Stunden im Haus ziemlich reichlich mit anderer Arbeit besetzt sind. Na, Du weisst das ja auch alles selbst, besonders unter den heutigen Verhältnissen, wo doch alles sehr beschränkt ist, sei es durch die Kälte, sei es durch die Nahrung. Na, aber ehe ich ein Lied davon singe, will ich nicht vergessen, Dir zu Deinem Geburttage meine herzlichsten Wünsche auszusprechen, vor allem in Bezug auf gute Gesundheit im neuen Lebensjahr und auch sonst alles Gute, soweit es heute möglich ist. Hoffentlich seid Ihr alle soweit gesund und könnt diesen Tag in einer gewissen Feierlichkeit begehen. Möchte nur die Heizung noch etwas reichen, damit Ihr nicht zu frieren braucht. Deinen und lrmgards lieben Brief hebe ich bekommen und mich über das Lebenszeichen von Euch sehr gefreut. Man weiss es ja niemals, wie es bei den jetzigen Verhältnissen überall geht und freut sich dann doppelt über eine Nachricht. Ja, es ist wirklich etwas zu bunt mit der Kälte und wir können euch uns nicht beklagen, dass wir die Kälte nicht gründlich zu spüren bekommen. Im Wohnzimmer, in dem Diego und ich jetzt beide schlafen, ist es während wir heizen, ganz schön warm. wir bringen es durchweg auf 15 – 16°, es wer auch schon mal 18 – 20°. Dagegen sinkt die Temperatur in der Nacht dank des eisernen Ofens auf morgens auf 0°, manchmal etwas drunter, manchmal etwas drüber. Während der milderen Tage steigt sie bis auf 6 – 7° am morgen. In den anderen Räumen des Hauses ist es unbeschreiblich kalt, überall einige Grad unter Null, alles gefroren, zum Teil gerissen, geplatzt usw. Toilette können wir schon lange nicht mehr benutzen und Wasser holen wir von unseren unteren Nachbarn. Es sind wirklich ziemliche Zustände. Dabei die letzte Kälte mit dem vielen Schnee und des ewige Steckenbleiben des Autobusses, wie oft bin ich schon Stein und Bein gefroren bei dem langen Werten, und hat man dann glücklich einen Autobus erwischt, dann bleibt er unterwegs wieder stehen, und man kann entweder auf den nächsten warten oder zu Fuss nach Hause gehen. Ich bin immer froh, wenn ich den heimatlichen Hefen glücklich am abend wieder erreicht habe, genau wie es Dir auch geht. Dabei muss man sich immer sagen, dass dieses noch nicht das Schlimmste ist, und dass, wenn dieses vorbei ist, etwas anderes kommt, was wahrscheinlich auch für uns nicht gerade sanft abgehen wird. Man kann wirklich gespannt sein, was dies Jahr der Entscheidungen noch bringen kann und wird. Hoffentlich erleben wir es und überleben wir es. Man kann sich gar keine Vorstellung davon machen, was kommen kann, und tappt mit seinen Gedanken dabei im Dunkeln. Wir werden hier in Hamburg ja alles mehr oder weniger aus erster Hand haben, aber Entfernungen spielen ja heutzutage für Flugzeuge keine Rolle mehr. Wir sind sonst einigermassen gesund und auch von Hagenow hatte ich keine gegenteilige Nachricht. Natürlich haben alle weniger oder mehr unter der Kälte zu leiden, bei Trudi soll es je auch nicht gerade schön sein. Trotzdem tröstet man sich mit der Gewissheit, dass es doch Frühling werden muss und das hilft einem über die schlechten Zeiten hinweg. Während man über das, was dann kommt keine Gewissheit hat und nicht weiss, wie alles enden wird. Wegen der Nüsse und Mandeln bin ich noch unterwegs, da sie letzt auch gerade ausgegangen waren und man zur Zeit immer nur ½ Pfund bekommt. Ich schicke das Päckchen morgen oder übermorgen ab und hoffe, dass es unversehrt bei Euch ankommt.
Sonst für heute nichts weiter. Meine Zeit ist zuende. Viele Grüsse Dir, Irmgard und den Kindern. Bleibt gesund!
Deine Kläre
19.2.40.
Lieber Georg,
Heute kann ich endlich die Sachen für Dich absenden, da ich sie erst allmählich kaufen konnte und das Geschäft längere Zeit nichts hatte. Ich habe ja auch nur Gelegenheit, diese kostbaren Sachen zu bekommen, da unser Geschäft gerade in der selben Strasse liegt wie dieses sehr bekannte grosse Delikatesswarengeschäft und ich dadurch morgens oder mittags vorbeigehen und etwas besorgen kann. Wenn es so bleibt, kann ich Euch immer mal wieder etwas besorgen, Ihr braucht dann nur zu schreiben und möglichst das Geld gleich zu schicken, da ich meistens nichts habe. Ich bitte Dich auch, mir sobald wie möglich den ausgelegten Betrag zurückzuschicken, da ich augenblicklich ganz auf dem Trocknen sitze. Ich habe also ausgelegt:
2 Pfd. Haselnusskerne a 1.60 = RM 3.20
1 “ Mandeln 1.60 = RM 1.60
½ “ Rosinen “ -.30
2 Dosen Tomatenmark -.30
______________
RM 5.40
Porto u. Einschr. .70
______________
RM 6.10
Die Rosinen gelangen nicht mehr wegen des Gewichtes hinein. Also 5.80.
Also lasst Euch alles gut schmecken und verzehrt es in Gesundheit. Wie gesagt, wenn die Einfuhr so bleibt, ist immer wieder etwas zu bekommen. Meinen Brief zum Geburttag wirst Du wohl bekommen haben, ich dachte, noch die Lebensmittel zur rechten Zeit schicken zu können, aber wie gesagt, ich konnte die noch fehlenden Sachen noch nicht bekommen und musste daher noch warten, Sonst ist nicht viel zu berichten. Ich arbeite weiter in meinem Exportgeschäft, Franz hat noch keine Stellung bekommen trotz verschiedenster Bewerbungen auch nach auswärts. Die Bedingungen, unter denen er sich anbieten kann, sind wohl zu ungünstig und daher sind die Aussichten für ihn wohl recht schlecht. Vielleicht wenn nun immer mehr junge Leute eingezogen werden, dass dann eher mal ein Platz für ihn frei wird. Ich selbst beabsichtige nun Folgendes. Falls inzwischen durch die Kriegslage nicht alles anders wird, beabsichtige ich, meine Ferien Mitte Juni zu nehmen, dann einige Tage nach Hagenow und Schwerin zu fahren und dort an Ort und Stelle zu prüfen, ob ich dort eine Stellung bekommen kann. Ich möchte doch viel lieber auf die Dauer in einer Stadt wie Schwerin wohnen und tätig sein, hier in Hamburg hebe ich nichts mehr verloren, im Geschäft bin ich auf die Dauer doch nicht für immer und mit der Wohnung ist es auch nichts. Da müssten wir auf jeden Fall eine Aenderung vornehmen. Also scheint es mir am besten, wenn ich noch bei Zeiten einen Wechsel vornehme. Aber bis dahin ist ja noch lange Zeit. Man hat ja oft Pläne, aus denen nachher doch nichts wird. Wolfgang hat ja auch bald ausgelernt, dann kommt die Frage, ob er die landwirtschaftliche Schule besuchen kann oder nicht und auch Diego steht vor der Frage, was er werden will. Er musste seinen Bogen für die Berufsberatung bereits ausfüllen, in irgendeinen Beruf, wo er schreibt oder rechnet muss er wohl hineingehen, doch wissen wir wirklich nicht, wofür er sich am besten eignet. De kann uns dann ja die Berufsberatung beraten. Ich bin gespannt, was sie uns raten wird. – Aus Hagenow hatten wir ganz gute Nachrichten, von Trudi hörten wir inzwischen nichts. Hast Du die Anzeige vom Tode Hanne Brettners bekommen? Ich wusste garnicht, dass sie krank ist. Ich will heute noch an Liesbeth schreiben. Die Aufmachung der Anzeige ist ja eigenartig. Ich verstehe nur nicht, warum man in tiefer Trauer ist, wenn jemand in das himmlische Reich kommt, dann könnten die Angehörigen ja nur froh sein, dass der Betr. endlich in diesem schönen Reich sein kann. –
Herzliche Grüsse Dir, Irmgard und den Kleinen
Deine Kläre
3.2.41
Lieber Georg,
beiliegend der Brief von Erich an Mutti. Wenn Du noch nicht alles wußtest, so weißt Du es jetzt. Ich hatte am Mittwoch die erste Nachricht von Erich. Ich hatte keine Ahnung, daß eine ernste Erkrankung vorlag. Aber schon Erichs erster Brief sagte mir die so überaus traurige Tatsache, daß unsere arme Trudi wohl nicht wieder gesund wird. Daß sie nicht mehr leben soll, sondern sterben muß. Begreifen kann man es nicht. Immer wieder sagt man sich, nein, nein, es kann doch nicht sein! Unsere liebe Trudi, doch immer soweit gesund und lebensfroh, und nun soll sie, so jung noch, dahingehen, ihrem Jungen und Erich und ihr schönes Heim lassen müssen!
Man kann es nicht begreifen, unmöglich scheint es einem. Und sie ahnt nichts. Weiß nicht, daß sie dieses ihr so liebe Leben lassen soll. Ist es Krebs, so ist keine Hilfe, keine Rettung möglich. Es ist ein qualvolles schmerzensreiches Leiden, das zuletzt den Tod herbeiführt. So wird sie es also wissen müssen und unvorstellbar ihr Leid, wenn sie erfährt, daß sie sterben muß. O, Georg, Georg, wer kann sich vorstellen, was das für sie bedeudet! Was sie wird durchmachen müssen; wer hat je an so etwas gedacht! Daß wir nicht mehr zusammen sind, sondern daß eine aus unserem Kreise fehlt, eine von uns vieren. Ich bin unsagbar traurig und tief tief erschüttert. Und immer wieder sagt man, es kann nicht sein. Und doch müssen wir damit rechnen. Wie kommt sie zu Krebs?
Ist es ein Erbteil in der Familie? Ist Mutti’s Schwester auch an Leberkrebs gestorben? Vielleicht hat es dann Wolfgang auch geerbt. Er hatte vor einigen Jahren ebenfalls Gelbsucht. Man müßte aufpassen, falls es in der Familie liegt. Nun, das nebenbei.
Ich habe Trudi durch Erich Blumen bringen lassen und ihr eine unverfängliche Briefkarte durch Erich geschickt. Ich habe Erich gebeten, mich sofort telegraphisch zu benachrichtigen, falls das furchtbare einzutreten droht. Ich werde dann sofort hinfahren. Helfen kann man ihr ja nicht, aber doch noch einmal bei ihr sein. Unsere liebe arme Schwester! Wie tut sie mir in der Seele leid. Und ahnt noch nichts. Wie wird sie dies Schwerste erfahren, wer wird es ihr sagen. Noch hofft man ja immer ein wenig. Aber, wenn es nun wirklich Krebs ist, dann muß man auch die letzte Hoffnung begraben.
Unsere liebe arme Mutti, wie muß auch sie leiden, nun sie in ihren alten Tagen noch das Leid erleben muß, eins ihrer Kinder, das im Leben noch so nötig ist, durch den Tod zu verlieren. Armer Erich, so verwaist sein Heim, armer Uli, so ganz allein ohne seine Mutter!! Ach, zu traurig. Wir sind zwar alle stets vom Tod umdroht, auch wir und ihr wieder, wenn es nun wieder mit den Bombenangriffen über uns losgehen wird!
Und unser Wolfgang! Am Donnerstag fährt er ab. Ist zum Arbeitsdienst auf 3 Monate eingezogen. Er kommt nach Leck in Schleswig-Holstein, Nähe Flensburg. Daran anschließend zur schweren Artillerie wahrscheinlich nach Wandsbek. Leider habe ich nicht ernst genug verboten. Aus gewissen Gründen hat er sich freiwillig gemeldet und wurde sofort einberufen, womit wir natürlich nicht gerechnet hatten. Neue ernste Sorgen. – –
Irmgard u. den Kindern Dank für ihre Briefe, Dir ebenfalls für Deine Zeilen und das Bildchen. Nimm schon heute mein inniges Gedenken zu Deinem Geburttage, falls ich zu diesem Tage nicht schreiben sollte. Wenn ich kann, schreibe ich noch.
Innige Grüße Dir und Deinen Lieben
Deine Kläre.
Flensburg 23. III. 41.
Lieber Onkel Georg,
ich habe heute Eure Karte zum Geburtstag mit bestem Dank erhalten. Das ich auch gerade jetzt krank werden mußte, wo ich seit dem ich aus der Schule bin überhaupt nichts gehabt habe. Mir geht es sehr gut, ich habe sehr wenig Fieber. Aus der Haut bin ich fast noch garnicht gefahren. Ich liege hier in einem schönen Raum mit 4 Betten. Ein Kamerad von meiner Stube liegt neben mir. Er hat noch Krankheiten mit Ohr und Hals. Er ernährt sich ausschließlich von Tabletten gegen Schmerzen. Dann war noch ein Junge im Alter von 15 Jahren da, aber er ist schon seit paar Tagen gesund entlassen. Der andere ist 17 Jahre und geht Freitag raus. Es sind beides Flensburger. So bin ich auch ohne Gesellschaft. Mein Leidensgenosse kann wenig sprechen meistens schläft er. Aber vielleicht kommt mal wieder Zuwachs. Das Wetter ist sehr schön, die Sonne kann fast den ganzen Tag ins Zimmer scheinen. Dich und Deine Familie grüßt vielmals
Dein Neffe
Wolfgang.
undatiert
Liebe Irmgard, lieber Georg.
Besten Dank für Eure Briefe und Karte zum Osterfest. D.h., der Brief war schon zu Diegos Feiertag. Inzwischen ist auch das Geldgeschenk eingetroffen, das Diego schon sehnsüchtig erwartet hatte. Er hat von uns 10 RM bekommen, um damit sein Sparkassenbuch bei der Post zu eröffnen. 5.-RM dazu ist doch immerhin allerhand wert. Er soll nun jeden Monat von seinem Entgelt = RM 20.- RM 10.- auf sein Sparkonto eintragen lassen. Den Rest teilen wir uns in Taschengeld und Anschaffungen als Handschuhe, Schlips, Schal usw. Diego ist nämlich inzwischen ein kleiner Herr geworden, der grossen Wert darauf legt, dass er nett aussieht. wenn man auch jüngster Lehrling, sprich Stift, in einer Lebensmittelgrosshandlung ist, dann hat man auch die Pflicht nett und ordentlich auszusehen. Seine Beziehungen zur Lebensmittelgrosshandlung haben es uns auch erlaubt, Euch einen Teil von Haselnusskernen, die er dort kaufen konnte, abzugeben und ich denke, Ihr freut Euch darüber, da man so etwas sonst ja garnicht bekommt. Da ich keine Wage habe, weiss ich nicht einmal, wieviel ich schicke, ich schätze, dass es ein gutes Pfund ist. Der Preis ist RM 1.50 für das Pfund. Diesen Betrag könnt Ihr ja in Briefmarken zurückgeben.
Diego gefällt es übrigens sehr gut auf seiner Lehrstelle und wir hoffen, dass er sich gut in den Beruf einarbeiten wird und auch sein Chef zufrieden mit ihm ist. Es fällt Diego ja alles sehr leicht, nur ist er etwas flüchtig und mit dem Fleiss ist es auch nicht allzuweit bestellt, was aber auch wohl darauf zurückzuführen war, dass er in der Schule so vernachlässigt worden ist. Jetzt wo er Interesse für die Sache hat, hoffe ich, dass er auch etwas fleissiger sein wird, denn ohne dem geht es nicht. Ich halte ihm das auch immer wieder vor, weil schliesslich ja seine ganze Zukunft davon abhängt. Also das war Diego.
Wolfgang ist auf dem Wege der Besserung, d.h. es geht ihm schon sehr gut, er ist bereits den ganzen Tag auf und versorgt seine Kameraden in der Abteilung, die noch im Bett liegen, als Oberkellner mit allem Nötigen. Er muss aber wegen der Ansteckungsgefahr seine 6 Wochen in der Abteilung bleiben, wohin er dann kommt, steht noch nicht fest. Wahrscheinlich bekommt er Erholungsurlaub und ob er dann ins Lager zurückgeht oder gleich zum Heeresdienst eingezogen wird, das weiss man bisher nicht. Ich möchte nur wünschen, dass er noch wieder ins Arbeitslager kommt, wo es ihm ja auch sehr gut gefallen hat von wegen des lauten und ungenierten Tones usw., was er so sehr liebt. Auch der viele Spass, der unter den jungen Leuten gemacht worden ist, hat ihm natürlich sehr gut gefallen. Weil er ja kräftig ist, hat ihm auch die bereits genossene soldatische Ausbildung keine Schwierigkeiten gemacht. Denn mit dem Heeresdienst wäre es sehr gut, wenn der noch etwas hinausgeschoben würde, ich habe keine grosse Lust, ihn nach Afrika in das heisse und ungesunde Klima zu schicken und vielleicht nie wieder etwas von ihm zu hören. So schnell wird der Krieg bestimmt in Afrika nicht zuende sein und je später er hinkommt, desto besser ist es, am besten, wenn er überhaupt nicht hinkommt. Ich bin keine Heldenmutter und lege keinen Wert darauf, meinen liebsten Jungen in der Wüste Afrikas verrecken zu lassen, was doch zu leicht geschehen kann. Wolfgang zwar ist scharf darauf, noch zum Krieg nach Afrika zurecht zu kommen, aber das kommt nur, weil er nicht weiss, was ihn da erwartet und die jugendliche Abenteuerlust ihn dahintreibt. An das Sterben denken so junge Leute natürlich nicht.
Aus Allenstein hatte ich eben nach Ostern einen Brief von Erich. Er teilt mir darin das Übliche mit, dass es Trudi weder besser noch schlechter geht, er hat immer noch eine leise Hoffnung, dass die Ärzte sich geirrt haben und dass es vielleicht doch nicht Krebs ist. Wenn es doch möglich sein könnte! Lieber Georg, Du wirst ja nun bald Deine Reise nach dem Osten bzw. Allenstein antreten, um Trudi zu sehen. Ich bin sehr gespannt, was für Eindrucke Du haben wirst und bitte Dich, mir zu schreiben, wie Du sie gefunden hast.
Ich habe noch immer keinen Entschluss gefasst und möchte so ohne weiteres nicht nach Allenstein fahren da ich meinen Besuch ja garnicht begründen könnte und Trudi ja nicht wissen darf, weshalb wir eigentlich kommen.
Meinen Urlaub will ich gleich nach Pfingsten nehmen. Ich weiss noch nicht, wo ich ihn zubringe, ich denke vielleicht am Ratzeburger See oder in Scharbeutz. Schön ist es ja nicht, dass man hier im Norden nirgends vor Fliegern sicher ist. In der letzten Zeit ist Hamburg sehr verschont gewesen von Fliegern und die armen Kieler haben die ganze Last gehabt. Wir hörten nur die Nächte schiessen und hatten Alarm, ohne dass ausser einzelnen Fliegern hier etwas passierte. In Kiel sieht es bös aus. Es ist von Augenzeugen festgestellt worden, dass ungezählte Häuser in Trümmer liegen und die Deutschen Werke besonders bös mitgenommen sind, sodass der Betrieb nicht aufgenommen werden konnte und die Leute nur mit Aufräumungsarbeiten zu tun haben. Es sind viele Tote zu beklagen. Die amerikanischen Bomben haben die Häuser bis in die Keller durchschlagen und dort die Leute getötet. Es sind mehrere Häuser, in denen 10, 15 und 17 Tote sind.
Kiel soll scheinbar ein Trümmerhaufen werden, wie es sich mit einer anderen Grosstadt doch nicht so schnell machen lässt. Die Leute sind zum Teil geflüchtet nach Malente und den umliegenden Ortschaften.
In Berlin waren sie inzwischen ja auch mal wieder. Hoffentlich war bei Euch alles in Ordnung.
Heute ist Frühlingswetter, eigentlich der erste warme Tag. Ostern war es furchtbar und wir konnten wenig in unserem Garten arbeiten. Nur einige kleine Bäumchen und Beerenobst haben wir gepflanzt um im Sommer mit dem Gemüse und Beeten nicht soviel Arbeit zu haben.
Euch und die Kinder herzlich grüssend, bin ich Eure
Schwester und Schwägerin
Kläre
undatiert
Liebe Irmgard,
Da ich zuerst Deinen Geburttag nicht richtig wusste und es dann auch schon zu spät war, schreibe ich Dir heute erst und auch noch mit der Schreibmaschine, um Euch gleichzeitig eine kleine Sendung der gewünschten guten Sachen zu übermitteln. Ich fürchtete schon, ich würde garnichts mehr bekommen und müsste Euch das Geld wieder zurückschicken, als nun endlich kurz vor Ostern doch noch wieder Vorräte hereingekommen sind und ich Euch erst mal für einen Teil des Geldes etwas senden kenn. Tomatenmark gibt es im Augenblick auch garnicht, sodass ich nur von meinem eigenen Vorrat 2 kleine Dosen beifügen kann. Sollte ich nach Ostern noch wieder Ware bekommen, kaufe ich noch einmal entsprechend für Euch ein und schicke es Euch gelegentlich zu. Sonst lege ich das übrige Geld erst einmal hier zurück uno warte ab, wann wieder etwas kommt. Hoffentlich erreicht Euch diese Sendung noch rechtzeitig zu Ostern, sodass Du zum Backen usw. sie noch benutzen kannst.
So, nun aber erst mal zu Deinem Geburttag, der nun schon bald eine Woche zurückliegt. Vor allem wünsche ich Dir gute Gesundheit, ebenso wie allen Mitgliedern der Familie. wenn es ja auch nicht ganz ohne Krankheit abgehen kenn, besonders bei jüngeren Kindern, so will man doch hoffen und wünschen, dass der Gesundheitszustand einigermassen bei Euch allen erhalten bleibt, wo nun ja auch der Frühling und Sommer in Sicht sind und ihr hoffentlich euch einmal das eigene Heim beziehen könnt. Oder sind noch immer keine Aussichten dazu vorhanden? Wird noch weiter gebaut, jetzt wo das Wetter wieder milder ist, oder liegt alles still? Wie sehr wurde ich Euch wünschen, dass Ihr bald dort einziehen könntet! Vor allem, dass ihr nicht noch einen Winter in der Fichtestrasse in Rangsdorf bleiben müsstet. Draussen ist ja noch alles in diesem Jahre sehr zurück und niemand weiss, wie die Frühjahrsarbeit fertig werden soll. Gestern und heute hat es hier soviel geschneit, dass man kaum über die Schneeberge hinwegkann. Aber die Sonne hat doch schon sehr viel Kraft und über Mittag taut dann der ganze Schwindel zusammen, sodass man beinahe mit wegschwimmt. In anderen Jahren haben wir um diese Zeit schon die ersten Erbsen und Wurzeln dem warmen Boden übergeben und diesmal ist der Boden noch hart und wir müssen warten, bis alles aufgetaut ist und man überhaupt daran gehen kann zu graben. Was macht Ihr in diesem Jahre! Bearbeitet Ihr den Boden um das noch nicht fertig gebaute Haus? Oder bleibt alles liegen? Bei allen seinen persönlichen Sorgen denkt man noch immer daran, was in der Zukunft durch den Krieg für uns kommen kann und man hat kaum den Mut, über irgend etwas weiter hinaus nachzudenken und Pläne zu fassen oder Vorsorge zu treffen. Ich selbst bin fürs erste noch bei meiner Exportfirma, doch hat man so das Gefühl, dass es sich nächstens ausgeexportet haben wird; mir bleibt dann ja immer noch Zeit, mich anderweitig zu bemühen. In stillen hoffe ich ja immer noch, dass Franz doch bei dem grösser werdenden Abgang jüngerer Kräfte endlich eine Stelle bekommen wird; er steht auch in Unterhandlungen mit einer ganz netten Firma, vielleicht wird ja doch einmal etwas daraus. In diesem Falle würde auch ich natürlich in Hamburg bleiben, sonst würde ich mich vielleicht bei meinem Aufenthalt in Hagenow, wohin ich während meiner Ferien auf einige Tage fahren will, in Schwerin nach einem anderen Posten umsehen. Vielleicht ist aber doch Hamburg ein passenderes Pflaster für uns, denn hier herrscht Freiheit, während in Schwerin alles eng und beschränkt ist, was für mich doch nicht das Richtige sein dürfte. Na, ich warte erst noch einmal ab, was die nächsten Wochen an Ereignissen für unser Land bringen werden, vielleicht kommt es alles ganz anders als man denkt.-
Doch nun, liebe Irmgard, möchte ich zum Schluss kommen. Wie gesagt, ich wünsche Dir, Georg und den Kindern das denkbar Beste. Herzlichen Dank für Deine letzten Zeilen!
Herzlichst Deine Schwägerin Kläre.
Ich konnte heute noch 2 kl. Dosen Tomatenmark bekommen, sodaß ihr nun 4 kl. Dosen bekommt.
undatiert
Liebe Irmgard,
ich danke Dir bestens für Deinen letzten kürzlich erhaltenen Brief. Ihr werdet gewiss froh sein, dass des Wetter augenblicklich so schön ist und die Kinder draussen spielen können und man selbst auch wieder etwas froher in die Zukunft blickt. Ich danke auch Georg bestens für das Bildchen des Hauses und hoffe mit Euch, dass es recht bald fertig wird und Ihr hineinziehen könnt. Wenn es schon in diesem Sommer fertig gewesen wäre, so hätte ich, glaube ich, während meiner Ferien auf einige Tage Gelegenheit genommen, es mir anzusehen und Euch auf einige Tage zu besuchen. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass ich in diesem Jahre nicht weiss, was ich mit meinen Ferien anfangen soll und einen Teil davon bei Euch verleben möchte. Nein, im Gegenteil, ich habe soviel vor, weil ich eben nicht verreise, dafür aber meinen Kram mal ein bisschen in Ordnung bringen möchte. Einige Tage fahre ich dann nach Hagenow, um die Eitern wiederzusehen und mir bei dieser Gelegenheit einen Vorrat von Blaubeeren aus dem Walde zu holen für Marmelade, Saft usw. Es ist ja schrecklich, dass man so garkein Obst und keine Marmelade kaufen kann, was wir such sehr entbehren, aus diesem Grunde will ich sehen, dass ich mit 2 oder 3 mal Pflücken in Hagenow mir etwas Vorrat schaffe. In der Zeit, wo ich hier in Hamburg bleibe, werde ich jeden Tag, sofern das Wetter schön ist, mit Diego ins Freibad mit dem Rade fahren. Es ist hier in Farmsen ganz in unserer Nähe ein sehr nettes grosses Freibad mit allen Chikanen, sodass man für den Preis von 15 Pfg. schon den Nachmittag zubringen kann. Also, wenn wir das nächste Jahr noch erleben und sonst alles in Ordnung ist, komme ich mal auf einige Tage nach Berlin und besuche Euch in Eurem neuen Heim, natürlich wenn Ihr mich haben wollt.
Nach Hagenow fahren wir nicht zum Geburttag von Papa. Ich finde, dass es besser ist, wir sind nicht alle zusammen da, weil das eine zu grosse Belastung für die alten Eltern ist. Ich finde es schon zu viel, wenn Trudi und Erich auch hinfahren, da man unter den heutigen Zeiten doch selbst das Nötigste kaum zusammenkriegen kann. Und ohne das Essen und Trinken und alles, was drum und dran hängt, geht es doch nun einmal nicht. Vor allem geht es Hedi seit Wochen schon garnicht gut, sodass sie meistens liegen muss. Es kommt dadurch natürlich alles zurück und sie wird natürlich nicht alles so einrichten können, wie sie es bisher getan hat. Ich will natürlich nichts dazu gesagt haben. Ich weiss auch nicht, wie man in Hagenow darüber denkt. Von mir aus finde ich jedenfalls eine Ansammlung von Menschen in Hagenow zur Zeit nicht richtig und ziehe für mich oder meine Familie daraus die Konsequenzen. Wie gesagt, ich fahre im Juni Ende des Monats einige Tage hin, dann habe ich und auch die Hagenower mehr davon.
Heute schicke ich Euch nun noch das von mit für das Geld Eingekaufte. Das letzte mal war es für RM 3.60 Ware und heute der Rest. Ein bisschen Geld ist noch übrig geblieben, dafür konnte ich aber nichts mehr bekommen, Ich denke, es wird Euch so auch recht sein. Haselkerne, überhaupt Nüsse sind hier auch ziemlich ausgestorben, sodass ich davon nichts bekommen konnte. Das Einzige, was noch oft da ist, ist Tomatenmark. Das Glas kostet 1.40 RM. Sieh mal zu, wie weit Du damit kommst und ob es gut ist. Hiervon könnte ich vielleicht auch in der Zukunft noch wieder etwas bekommen. Jedenfalls habe ich es öfters in dem betreffenden Geschäft stehen sehen.
Franz hat seit 1. April eine Stellung in Bramfeld in einem Seifenbetrieb und wenn er dort auch nicht allzuviel verdient, so ist es doch sine grosse Erleichterung für mich, weil wir nun endlich einmal wieder etwas mehr als durchaus unumgänglich notwendig haben.
Weiter bin ich im Geschäft nicht gekommen und habe heute Abend auch keine Zeit mehr. Wolfgang hat viel zu tun zur Zeit. Diego geht es gut. Wie mag es sonst noch alles werden! Ich sehe nicht gerade rosig in die Zukunft. Der Engländer ist zähe und der Jude sitzt überall. Das wird uns noch viel kosten. Und wer weiß das Ende?
Herzliche Grüße Dir, Georg und den Kindern! Deine Schwägerin Kläre.
2.11.41
Liebe Irmgard!
Ich habe nun noch verschiedene Sachen eingepackt, die Du vielleicht noch bearbeiten lassen kannst. Die beiden Stücke Seife für Dich und Georg. Sie stammen aus Wolfgangs Beute bei der Eroberung vom Peterhof. Ebenfalls der russische Tee, von dem ich ein Päckchen beilege und das Paar Handschuhe vielleicht für Rotraud, ein Paar Strümpfe für Georg. So habe ich an alle etwas verteilt.
Wolfi schickte in 2 Päckchen sogar ein Paar Schuhe für Diego. Er denkt an alles, der liebe Junge. Wir hatten Freitag die letzte Nachricht von W. vom 22.10. Sie liegen in einer Schule u. warten auf die Übergabe von Petersburg. Ich darf jetzt Päckchen bis 1000 g schicken und schickte schon Kuchen, Äpfel und Feigen. Es ist schon kalt u. sie waschen sich im Schnee. Wollt Ihr ihm mal eine Karte zusammen schreiben? Soldat W. Bangis Feldpost Nr 23347.
Wie geht es Euch? Deine kleine Irmlind gesund? Sie ist nun wohl schon ganz nett gewachsen und wacher geworden! Hoffentlich kommt Ihr ohne Störung durch den Winter! Gut, daß ihr nicht soviel Fliegerangriffe habt wie wir zur Zeit, wo 4 – 5 mal in der Woche Alarm ist und allerhand schwere Verwüstungen angerichtet wurden, wenn ihre Bomben so hintreffen! Es war nicht schön in letzter Zeit bei dem ununterbrochenen Schießen und Sausen der Bomben, die bei uns meistens zwar ins freie Feld fallen, aber Zufallstreffer gibt es ja immer. Es sind hier auch schon Häuser getroffen worden und kürzlich brannten zwei Bauerngehöfte ganz nahe bei uns zum Teil ab. Zur Ruhe kommt man nie. Heute ist nun wieder der gefährliche Sonntag Abend und Diego ist auf Nachtwache in der Stadt! Gräßlich. – – – –
Nun grüße ich Euch alle recht herzlich.
Deine Schwägerin
Kläre.
Im Felde den 9. XI. 41.
Lieber Onkel Georg,
ich will an Dich auch mal schreiben, denn seit einiger Zeit liegen wir jetzt in Ruhe und gleichzeitig im Winterquartier. Im Einsatz hat man sehr selten Zeit um zu schreiben, ich habe manchmal 2 Tage gebraucht um einen Brief nach Hause fertig zu schreiben.-
Wir liegen dicht hinter Front vor Leningrad. Wir hoffen alle noch aus diesem elendigen Land, in diesem Winter herauszukommen aber es sieht damit sehr schlecht aus. –
Es liegt hier schon lange Schnee und ein Tauwetter wie ich es aus Hamburg gewöhnt bin gibt es garnicht. Mit der Kälte ist es noch nicht gerade so gefährlich. Aber wie wird es im Januar, denn dies kann man doch noch nicht als Winter bezeichnen! –
Mir geht’s gut und hoffe dasselbe von Euch. –
Dich und Deine Familie grüßt vielmals
Wolfgang.
Im Felde den 21. I. 42.
Lieber Onkel Georg,
heute erst erhielt ich Deinen Brief vom 1. XII. 41. mit bestem Dank. –
Es freut mich dass Mutti Euch damals auch etwas von meinen Sachen aus einem Vorort von Leningrad schickte. So viel war es nicht, denn Kaufläden sind sehr wenig da vorhanden. In einem großen Dorf ist nur ein Kram-Laden wo man alles findet zugleich auch Schnaps-Laden. Die Menschen konnten nicht viel kaufen weil sie eben fast nichts verdienten. –
Es ist ein armes Volk. Die Kollektivwirtschaft hat ihnen nicht viel gelassen. –
Die Kälte ist immer noch sehr stark. Ich denke aber Ende Februar wird es besser. –
Mir geht es gut und hoffe dasselbe von Euch.
Es grüßt Dich und Deine Familie
Dein Neffe
Wolfgang.
Rußland den 8. II. 42.
Lieber Onkel Georg,
ich will heute auch mal wieder einen kleinen Brief an Dich schreiben. –
Wir haben jetzt die Wollsachen aus der Heimat bekommen. Ich habe mir einen schönen Wollpullover genommen. Dann noch Pulswärmer und einen warmen Schal. Es ist sehr schade das die Sachen nicht schon im November bei uns waren. Jetzt ist ja bald die größte Kälte vorbei. Aber man kann doch alles gut gebrauchen. –
Wir liegen dicht hinter der Front zur Sicherung und wir verleben immer noch ruhige Tage. Die Kälte ist nicht mehr so arg. –
Mir geht es gut und hoffe dasselbe von Euch. –
Dich und Deine Familie grüßt vielmals
Wolfgang.
Im Felde den 4. III. 42.
Lieber Onkel Georg,
ich habe vor einigen Tagen Deinen Brief vom 15.2. mit bestem Dank erhalten. –
Da ich wieder mit in vorderster Front bin, ist es mit dem schreiben sehr schlecht bestellt. Jetzt bin ich mit einer kleinen Reparatur beim Troß. Wo man sich wieder mal anständig waschen kann. Das schreiben kommt dann an zweiter Stelle. Denn vorne an der Front in den kleinen Bunkern ist alles sehr eng und solche Dinge Luxus. –
Die Kälte ist nicht mehr so schlimm, an manchen Tagen ist es schon fast wie im Sommer. –
Sonst geht es mir gut.
Es grüßt Dich vielmals Dein Neffe
Wolfgang.
1. April 1942
Meine liebe Irmgard,
Mein lieber Georg,
das war ja keine gute Nachricht, diese so plötzlich notwendige Augenoperation! Da habt Ihr ja allerhand durchgemacht in diesen Wochen und Du lieber Georg hast viele Schmerzen aushalten müssen und mußt es gewiß jetzt auch noch. Wie mag es alles damit sein und werden? Das fragt man sich immerfort. Hoffentlich sind zur Zeit entsprechende Erfolge da und hoffentlich wird es langsam noch besser werden. Ob Du lieber Georg Deine Arbeit wieder wirst aufnehmen können, darüber wird man wohl heute noch nichts sagen können. Hofft der Arzt, daß das Augenlicht gestärkt oder verbessert sein wird? Das ist wohl ein schwerer Entschluß gewesen, aus der vielen Arbeit, die jeder zu leisten hat, heraus zu gehen, herausgehen zu müssen! Ich wünsche Euch von ganzem Herzen, daß alles nach Möglichkeit gut werden möge! Ob Georg zu Ostern wieder zu hause sein wird? Du hofftest es ja, liebe Irmgard.
Hoffentlich sind die Kinder weiter gesund geblieben! Und Irmlind gratuliere ich zum ersten Zähnchen. Bis auf meinen Rheumatismus im Rücken geht es uns einigermaßen. Von Wolfi hatten wir weniger gute Nachricht. Vor einigen Tagen schrieb er uns, daß sein Muniwagen durch Volltreffer in die Luft geflogen sei und es ihm und seinem Kameraden nur im letzten Augenblick gelungen ist, aus dem Wagen zu springen und nach 6 stündiger Flucht bis im Bauch im Schnee durch den Urwald die eigene Linie zu erreichen. Vor ihnen stand plötzlich mitten im Wald, als sie Munition nach vorn fahren wollten, ein 52 to Russenpanzer, der das Feuer sofort auf sie eröffnete. Daß Wolfgang sein Leben gerettet hat, ist schon ein großesWunder, vor allem, daß die Russen ihn nicht gefangen haben, was ja das fürchterlichste gewesen wäre. Er schrieb, daß er schwer erschüttert und erkältet sei von der Flucht durch den tiefen Schnee. So dicht am Leben ist es ihm noch nie vorbeigegangen. Ihr könnt Euch denken, daß auch wir sehr erschüttert waren. Nachricht habe ich inzwischen nicht mehr bekommen und bin etwas in Sorge, ob er wieder gesund ist oder wie es alles aussieht. Er liegt südlich des Ilmensees und da ist ja immer was los. Die Sorge wird man nie los. –
Ostern wird ja weiter kein Fest in diesem Jahr sein, die Zeiten sind zu wüst für alle. In Lübeck sieht es ja furchtbar aus. ⅓ der Einwohner ist obdachlos, die Innenstadt ist ein Trümmerhaufen, es sollen sehr viele Tote sein. Der Fahrer aus meinem Betrieb ist dort von SHD angefordert und gab uns gestern einen erschütternden Bericht.
Wann sie uns wohl wieder heimsuchen? Wir saßen bis ½ 4 Uhr an dem Unglückstage im Keller, in vielen Wellen flogen die Flugzeuge bei uns vorbei, hier wurde auch geschossen, ein Bomber wurde abgeschossen. Dann sah man über Lübeck das Feuermeer. –
Ja, es ist Krieg. Das merkt man. Nun, vor allem gute Besserung, mein lieber Georg,
für Dich, liebe Irmgard wird es ja auch nicht ganz leicht sein.
Wir alle grüßen Euch beide und die Kinder von Herzen.
Eure Kläre.
13.9.42
Liebe Irmgard, lieber Georg,
ich bin die ganze Woche mit meinen Gedanken bei Euch gewesen. Am Freitag wart Ihr in Leipzig und Ihr werdet ja nun schon wissen, ob es Sinn hat und Aussicht auf Erfolg besteht, wenn eine weitere Augenoperation gemacht wird und Ihr werdet auch schon wissen, zu welcher Zeit diese Operation voraussichtlich gemacht wird. Ich bin ja der Ansicht, je eher je besser, denn je mehr die Zeit vorwärts schreitet, desto mehr besteht die Aussicht, daß die Luftangriffe auf Berlin wieder einsetzen. Und dann würde ich das beste Krankenhaus nehmen und auch lieber ein Zimmer allein, denn wenn Du liebe Irmgard Georg besuchst, so wirst Du ihm doch gewiß viel vorlesen, damit Georg nachher geistig etwas zu verarbeiten hat. Wenn noch jemand im Zimmer liegt, so kann man das nicht und es ist doch sehr fraglich, ob man sich mit irgendeinem fremden Menschen unterhalten kann. Wie ich Dir, lieber Georg schon sagte, bin ich gern bereit, 14 Tage bis 3 Wochen nach Berlin zu kommen, um teils Irmgard während ihres Fernseins im Hause zu vertreten, teils Dich zu besuchen und Dir viel Schönes vorzulesen, daß Du gewiß Dich dabei nicht langweilen wirst. Franz ist mit meinem Plan gern einverstanden, denken wir doch noch immer mit tiefer Dankbarkeit an die Zeit, wo Du uns so liebevoll unterstützt hast. Also, falls bei uns nichts Besonderes eintritt (Bombenschaden oder dergl.) kannst Du auf mich rechnen.
Wolfgang ist wieder an sehr gefährdeter Stelle am Ladogasee eingesetzt und es ist wohl kaum anzunehmen, daß er bald auf Urlaub kommt. Dort ist allerhand los und meine Sorge ist wieder bedeutend größer. Er ist am 29.8. eingesetzt und wir haben vom 3.9. Nachricht. – – –
Diego ist erstmal bis 1.4.43 zurückgestellt, da sein Chef für ihn am Wehrkommando war und ihn reklamiert hat. – – –
Nun zu den beiliegenden Büchern. Sie sind hauptsächlich für Dich, liebe Irmgard bestimmt. Das Buch „Sippenfeiern Sippenleben“ ist in schönen einfachen kurzen Abschnitten geschrieben. Ich denke es mir so, daß Du Georg daraus jeden Abend einen Teil vorliest. Es wird und muß ihn interessieren. Und Du mußt die Kraft aufbringen, Dich dazu am Abend noch aufzuraffen. Paß auf, es wird Dir schon gefallen! Du bist als Frau und Mutter im Hause die Hüterin des Gotterlebens und mußt Dir selbst über diese Fragen Klarheit verschaffen. Für Dich selbst lege ich noch ein weiteres Buch bei „Wie leiten wir das deutsche Kind“. Du wirst auch einmal für Dich Zeit haben. Dann lies darin.
Ein kleines Heft lege ich noch bei. Es ist zum Vorlesen für Georg: „Das Gotterleben im Kriege“. Wenn Ihr das Wenige, was ich heute mitschicke, erst gelesen haben werdet, so werdet Ihr schon allerhand wissen. Das Große kommt dann hinterher. In bezug auf die Feier für Klaus-Georg, könnt Ihr Euch aus Sippenfeiern schon Einiges herauslesen. Unsere Hefte zu Wolfgangs u. Diegos Feier bringe ich dann später mit.
Natürlich müßt Ihr Euch den Kindern gegenüber so halten, daß sie über den Irr-Sinn der christlichen Lehre aufgeklärt werden, damit sie wissen, warum sie nichts damit zu tun haben sollen. Wenn Du liebe Irmgard erst selbst mehr darüber weißt, so mußt Du Rotraud natürlich aus dem christlichen Religionsunterricht herausnehmen. Das ist selbstverständlich. Man kann nur einen Weg gehen. Bis dahin muß sie wohl noch drinbleiben, da Ihr ihr ja selbst nichts sagen könnt. Ich hoffe, daß es später eine klare Linie gibt und Ihr alle aus der Kirche austretet. Auch das sollt Ihr nicht übereilen, es hat noch Zeit, bis Ihr wirklich wißt, warum und mehr als ungeheuer reichen Ersatz dafür gefunden habt.
Falls alles gesund bleibt, würden wir garnicht abgeneigt sein, Euch das Fest für Klaus gestalten zu helfen. Aber man kann für so lange Zeit im voraus noch nichts sagen. Wie schön wäre es, wenn Franz, Diego und ich auch einmal zusammen bei Euch und in Berlin wären! Aber wer weiß, was ist, man kann nicht wissen, was sein wird.
Jedenfalls bin ich froh, daß ich wieder etwas Zeit habe, auch mal an andere Fragen als die des täglichen Daseinskampfes zu denken und auch Euch mit Rat und Tat zur Seite stehen kann.
Lebt wohl! Ich erwarte von Euch eine kurze Nachricht, was mit Georg wird!
herzliche Grüße
Eure Kläre.
Hamburg, den 13. Februar 1943
Lieber Georg,
wenn am Montag ein neues Jahr für Dich beginnt, so möchte ich nicht dabei fehlen, Dir für das kommende Jahr meine allerherzlichsten Glückwünsche zu übermitteln. Es bleibt uns ja nicht viel zu wünschen übrig bei diesen Zeiten. Dir vor allem, dass Dein Augenlicht Dir so erhalten bleiben möge, dass Du bei Deiner Arbeit bleiben kannst und sonst auch gesund bleibst. Gelegentlich der Schulentlassung Deines Claus-Georg werden wir ja einige Stunden mit Dir und den Deinen zusammen sein können, worauf ich mich besonders freue, denn ich hatte bisher noch nie Gelegenheit, bei Dir in Berlin zu sein. Hoffentlich kommt nicht etwas Unerwartetes dazwischen. Dir und den Deinen viele herzliche Grüße
Dein Schwager
Franz
den 26.2.43.
Lieber Onkel Georg,
ich habe gestern Eure Briefe mit bestem Dank erhalten. Mir geht es gut, ich habe mich schon an den Gips gewöhnt. Heute ist der 11. Tag und 6 Wochen muß ich so liegen. Hoffentlich ist es dann wenigstens geheilt. Hoffen wir das beste. –
Mein Freund der damals mit bei Euch war, ist noch bei der Truppe wo ich jetzt herkam. –
In dieser Nacht war wieder Fliegeralarm. Hier ist aber nicht geschossen worden. Nur in der Umgebung von Stuttgart. Wir brauchen nicht in den Keller, nur was sich selbst bewegen kann, marschiert in den Keller. –
Rotraud schrieb mir einen so schönen langen Brief, da bestelle ihr mal einen besonders schönen Dank von mir. Wenn ich mal einen Taler finde, soll sie ihn bekommen. –
Deinen Klaus werde ich in meinem Urlaub mal in Kußdorf besuchen, wenn der Herr Wetter dies gestattet. –
So nun recht herzliche Grüße an Tante Irmgard, Rotraud, Burkhard, Klaus und Irmlind.
Dich grüßt vielmals
Dein Neffe
Wolfgang.
5.9.43
Liebe Irmgard, lieber Georg,
ich danke Euch herzlich für Eure lieben Briefe vom 22.8. und für Deine Nachricht liebe Irmgard, daß Ihr den ersten Angriff auf Berlin glücklich überstanden habt. Inzwischen sind bereits zwei neue Angriffe erfolgt, von denen der letzte gewiß der schwerste gewesen ist, da auch wenig Bomber abgeschossen wurden und die feindlichen Flieger in die gewollten Stadtteile vordringen konnten. Nach dem Heeresbericht können wir uns vorstellen, wie die Stadtteile zugerichtet sind, denn wir kennen das Beispiel an Hamburg. Bei einer großen Anzahl Spreng- u. Brandbomben und beträchtlichen Gebäudeschäden bleibt von dem betroffenen Stadtteil nicht viel übrig. Hoffentlich hat sich schon ein größerer Teil der Bevölkerung retten können, d.h. ist vorher geflüchtet, damit nicht so große Opfer zu beklagen sind wie in Hamburg, wo alles so überraschend kam. Mit einem solchen Ausmaß hatte ja niemand gerechnet. In dem wahnsinnigen Feuer der engeren Straßen sind doch tatsächlich nur wenige lebend davongekommen, Hunderte und Tausende fielen um und verbrannten in den engen Straßen. Der Glutwind des Feuers fraß allen Sauerstoff auf, sodaß die Menschen nicht mehr atmen konnten. Wenig gerechnet haben wir 60 000 Tote, es können aber auch 100 000 oder mehr sein.
Feststellen wird man das noch lange nicht können, und genau überhaupt nie. Man hört nur von Zeit zu Zeit Zahlen, was ungefähr beerdigt worden ist, d.h. in die großen Gruben geworfen, die vom Militär gegraben wurden. Da wir damals täglich 2 x am Ohlsdorfer Friedhof vorbeifuhren, konnten wir sie bei ihrer Arbeit sehen und der Lysolgeruch verfolgte uns noch lange. Froh kann man überhaupt nicht wieder sein, wenn so etwas Schreckliches geschieht. Berlin hat ja noch allerhand vor sich. Denn daß sie wieder und wiederkommen werden, um B. zu zerstören, das ist uns ganz klar. Wozu sie in Hamburg 1 Woche gebraucht haben, dazu brauchen sie eben in Berlin 4 Wochen. Leider können wir ja nichts dagegen tun, sondern müssen es alles geschehen lassen. Wohin das führen soll, ist mir unklar. Wenn das so anhält, sind wir unsere Großstädte bald los, dann kommen die mittleren dran und zum Schluß alles übrige.
Es ist nur ein Glück, daß Ihr so weit draußen wohnt und es alles Einzelhäuser sind. Da kann man doch hoffen, daß Ihr auch verschont bleibt, wenngleich es eine schreckliche Nervenprobe ist, die Ihr durchmachen müßt. Mir ist ja heute noch so, daß ich furchtbar elend bin und zu nichts irgendwelche Lust habe. Hoffen wir also von ganzem Herzen, daß Ihr an Gesundheit und Haus und Gut verschont bleibt. Besonders für Dich, liebe Irmgard, wo Du nun wieder ein Kind erwartest, ist es nicht leicht, die Ruhe zu bewahren und doch mußt Du Dich besonders zusammennehmen, damit Du nicht allzu sehr unter der Aufregung der Angriffe leidest. Also nochmals mein innigster Wunsch: möchtet Ihr verschont bleiben. So schlimm kann es bei Euch ja nie werden, das haben wir hier in Bramfeld gesehen – aber für den, den es gerade trifft, ist es immer schlimm genug! –
Diego ist noch hier, seinen neuen Einstellungsbefehl hat er noch nicht bekommen, da das Wehrkommando ausgebrannt ist, wird es wohl eine zeitlang dauern, bis die neuen Unterlagen beschafft sind. Mit seinem 17 ½ Jahren kommt er auch immer noch viel zu früh zum Militär, er ist ja noch ein halbes Kind. Wolfgang ist jetzt in Burg bei Magdeburg, wo er Rekruten ausbildet. Sein Bein macht ihm noch viel zu schaffen und schwoll wieder sehr an, sodaß er den Unteroffizier Lehrgang in Schweinfurt abbrechen mußte. Hoffentlich kann er nun bald mal Sonntagsurlaub bekommen, sodaß er Diego hier noch antrifft. – Voraussichtlich fahren Diego u. ich nächsten Sonnabend bis Dienstag nach Hagenow, sonst wollte uns Hedi besuchen kommen, aber ich weiß nicht recht, was sie hier in den Trümmern der Stadt will. In der Innenstadt, Harvestehude, Eppendorf stehen ja noch Häuser, aber in den anderen Stadtteilen steht straßenlang kein Haus, vor allem jetzt, wo alles gesprengt ist. Am ganzen Mundsburger Damm, den Georg noch kennt, gibt es nicht ein einziges Haus, in Barmbeck und Wandsbek schon lange nicht. – Ich hoffe, daß ihr alle gesund seid und der Brief Euch gut erreicht. Die herzlichsten Grüße von uns allen!
Eure Kläre.
Hbg. 11.2.44
Mein lieber Georg,
ich habe mehrfachen Anlaß, Dir zu schreiben. Erstmal meinen herzlichsten Glückwunsch zur Geburt der kleinen Sigrun. Irmgard teilte es mir gestern mit. Eigentlich sollte es wohl ein Junge werden – aber nun ist es doch wieder ein kleines Mädchen! Na, läßt sich nicht ändern, Mädchen brauchen nicht in den Krieg. Das ist auch was wert. Irmgard hofft, am 1. März wieder in Rangsdorf zu sein, es wird auch nicht gerade schön für sie sein, bei Fliegerangriffen mit dem Kind in den Luftschutzkeller zu laufen. Hoffentlich bleibt Ihr in Eurem Haus und Du während Deiner Tätigkeit in der Stadt verschont. Berlin soll ja genau so zerstört werden wie Hamburg und von einigen Gegenden sagt man, daß kein Unterschied mehr gegen Hamburg sei. Also, haltet die Ohren steif!
Dann möchte ich Dir zu Deinem Geburttag meine herzlichsten Wünsche aussprechen. Wenn man schon Leben und Gesundheit erhält in dieser schwersten Zeit, so ist es sehr viel und man muß von Herzen dankbar dafür sein. Ich schreibe schon so zeitig, da zufolge Telegramm Wolfgang morgen auf Urlaub kommt bis 28.2. Es ist der ihm zustehende Jahresurlaub. Er wollte ihn eigentlich im nächsten Monat nehmen, um seinen 21. Geburttag bei uns zu verleben, aber da wahrscheinlich die Batterie ins Feld kommt, mußte er sich beeilen und seinen Urlaub sofort nehmen, um ihn nicht verlustig zu gehen.
Ich werde also in der nächsten Zeit allerhand Mehrarbeit haben, denn es soll ja auch alles ein bißchen schön sein – man muß immer damit rechnen, daß es vielleicht die letzte schöne Erinnerung für ihn ist. – Von Diego traf vorgestern nach längerer Zeit eine kurze Nachricht ein, daß er im Mittelabschnitt als Funker bei der Artillerie eingesetzt ist. Er wäre also leider „mitten drin”. Genaueres wissen wir auch noch nicht über die Gegend oder seine Tätigkeit. Wenn er in der Gegend von Witebsk sitzt, hat er nicht zu lachen und dann möglichst noch beim Beobachter in der HKL ! Meine Gedanken sind natürlich viel bei ihm so ist es auch im Punkte seiner Neigung und zukünftigen Ehe (wenn wir noch von Zukunft reden können!) sehr schwierig. Wir versuchen, diese Schwierigkeiten zu überwinden, ob es gelingen wird, ist eine zweite Frage, die ich noch nicht beantworten kann.
Am 1.10. geht Käthe nach Schwerin, wo sie eine 2 jährige hauswirtschaftliche Ausbildung haben soll. Hoffentlich verlegt die Tommy dann das Feld seiner Tätigkeit nicht in die kleineren Städte (in Schwerin hat er neulich ja auch bombardiert!). Käthe ist hier durch die ewigen Alarme und Angriffe schon gänzlich verängstigt, obgleich sie mit Schwankes sofort in den Luftschutzbunker gegenüber in der neuen Heimat rennt, während ich stets mit den Männern zu Hause bleibe. Ihr ist das natürlich alles so ungewohnt, während wir [ja] schon alte Hasen sind und Kummer kennen. –
So, nun will ich schließen. Wer weiß, ob man sich noch mal wieder unterhalten kann. Wir grüßen Euch beide recht von Herzen und wünschen gute Gesundheit für die Kleinen und Euch. Zu Irmlinds gewesenen Geburtstag noch meine besten Wünsche
Eure Kläre.
Posen den 8. VI. 1944
Lieber Onkel Georg,
ich erhielt Deinen Brief vom 1. VI. mit bestem Dank. –
Wie Du mir das Geld schicken kannst? Wenn ich von Hamburg Geld bekomme, so legt es Vater immer mit zu einem Brief. –
Am Pfingstmontag hatten wir ja auch einen kleinen Besuch, der Herren Amerikaner. Es fielen auch Bomben, aber es war nicht so schlimm wie in anderen Städten. –
Ich war jetzt am letzten Sonntag für 4 Tage in Hamburg, leider war es schlechtes Wetter. Diego kann auch jeden Tag eintrudeln, er schrieb in jedem Brief davon. –
Nun sind die Amerikaner ja zu ihrem großen Schritt angetreten, hoffentlich werden sie anständig zerschlagen. –
Wenn ich mich nicht irre hatte Rotraud am 4. Geburtstag, also meinen herzlichen Glückwunsch nachträglich. –
Die besten Grüße an Tante Irmgard und die Kinder.
Dich grüßt vielmals
Dein Neffe
Wolfgang.
Hbg., 27.10.44
Lieber Georg, liebe Irmgard,
ich bestätige noch ein kleines Briefchen von Euch vom 11.9. mit Wünschen zu meinem Geburtstag, besten Dank! Bisher ist es ja bei uns persönlich noch alles leidlich gegangen und wir wären mehr als zufrieden, wenn es so bliebe. Ihr gewiß auch! Bei meinem kürzlichen Besuch in Hagenow (ich fuhr hin, um noch einmal wieder Abschied zu nehmen, da die Zeit ja immer ernster geworden ist) bat ich Hedi, Georg das bereits angekündigte Geschenk für Sigrun RM 20.– auszuhändigen, damit ich es nicht erst zu schicken brauche. Ich war leider nicht so glücklich, Dich lieber Georg, in Hagenow sehen zu können. Hätte ich es vorher gewußt, hätte ich mir meine Reise anders einrichten können. Schade! Na, vielleicht haben die Eltern u. Hedi von jedem einzelnen von uns so mehr gehabt!
Unsere Karte aus Sagan werdet Ihr seinerzeit erhalten haben und daher wissen, daß wir zu Dreien die Reise unternahmen, um Wolfgang im Lazarett zu besuchen. Trotz aller Schwierigkeiten in bezug auf Reise und Unterbringung verlief alles recht schön.
Wolfgang war zwar sehr abgemagert, aber sonst ganz wohl ohne Fieber, während wir da waren. 8 Tage später war dann noch mal eine Operation am l. Bein nötig, die ihm wieder viel Schmerzen und Quälerei gebracht hat. Hoffentlich sind die Splitter nun alle entfernt. Ich glaube allerdings, daß in der l. Schulter auch noch nicht alles in Ordnung ist, da der Arm kraftlos ist und er die Hand nicht gebrauchen kann. Das Lazarett ließ an Sauberkeit sehr zu wünschen übrig, auch die Ernährung ist entsprechend den heutigen Verhältnissen recht kümmerlich. Wolfgang hat jetzt immer Hunger, wie er bei seinem Kräfteverlust wieder hochkommen soll, ist mir rätselhaft. Ich schickte bereits das dritte Paket mit Obst und Kuchen. Sollten wir noch die Möglichkeit haben, ihn bei uns auf Genesungsurlaub zu haben, werde ich mich sehr anstrengen müssen, um ihn hochzupäppeln. Nun, wir rechnen noch nicht so weit, den wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Beunruhigend genug sieht es ja aus. Nicht nur, daß die Flieger uns immer mehr aufs Korn nehmen (seit ich aus Hagenow zurück bin hatten wir 3 Nachtangriffe u. am 25.10. mittags einen sehr schweren Terrorangriff, sondern auch in bezug auf Landung, sowohl zur See als auch aus der Luft, scheint man hier allerhand zu erwarten. Alles wird in Verteidigungszustand gesetzt, mehrere Linien um Hbg. herum Gräben und Panzersperren, überall hier in den Straßen Ein- u. Zweimannlöcher, die Trümmer des früheren Sofienhofes (Ebowa-Bohnerwachsfabrik) werden zum Stützpunkt ausgebaut, dazu der Land- oder vielmehr Volkssturm, dem auch Franz angehört, zur Verteidigung, na, es reicht uns gerade. Wir werden hier sicher über kurz oder lang auch Kriegsgebiet werden, denn wenn es alles so weiter geht, landen sie eines Tages in Esbjerg oder auch in Nordwestdeutschland. See- u. Luftflotte steht ihnen reichlich zur Verfügung und wir können sie an nichts hindern. Wo man hinsieht, im Westen, im Osten, überall schwerste Gefahr. Armes Deutschland, was wird aus Dir werden?
Dazu all das persönliche Leid. Wolfgangs bester Freund hier in Bramfeld, einziges Kind, ist bei Riga vor kurzem gefallen und von unseren Bekannten hier ebenfalls der Sohn im Osten. Diego ist seit 10.10. verwundet, Granatsplitter l. Bein, scheinbar nicht schwer, u. liegt in Königsberg im Lazarett. Da er nicht weiter ins Reich zu kommen scheint, glaubt man wohl, er heilt dort aus, ehe die Russen alles abschneiden in Ostpreußen, und er kann dann gleich wieder an die Front. Das wäre für uns eine schwere Enttäuschung, hatten wir es doch als eine unerwartete glückliche Fügung angesehen, daß wir ihn auf diese Weise noch einmal erleben könnten. Nach K. zu reisen, ist ja unmöglich. Na, vielleicht kommt es ja auch noch anders, wir müssen es abwarten. – – –
Wie geht es Euch und den Kindern? Seid Ihr gesund? Ist Klaus auch schon bei irgendetwas? Sicherlich! Diese Kinder. Ich sehe sie hier auch immer laufen! Volkssturm!
Ich grüße Euch von ganzem Herzen!
Eure Kläre.
Bad-Salzungen am 25.12.44.
Lieber Onkel Georg!
Deinen lieben Brief vom 18.12. habe ich mit bestem Dank am 22.12. erhalten.
Es freute mich sehr, dass es Euch gut geht. Hoffent1ich ist es auch jetzt noch und im neuen Jahr so! Mir geht es in allen Beziehungen sehr gut hier, besonders natürlich gerade jetzt die Feiertage über. Wir hatten gestern abend eine nette Feier und es gab auch von der N.S.D.A.P. allerhand kleine Geschenke und Fressalien.
Heute wurden wir nicht durch unsere Küche sondern von Privat verpflegt, es gab echt Thüringer Klösse mit Gänsebraten und zum Abschluss noch eine gute Portion Pudding.
Da Wolfgang garnicht weit von hier im Lazarett liegt werde ich versuchen ihn wenn möglich dort zu besuchen. Hoffentlich klappt das.
Vor unserem Zimmerfenster ist ein grösserer Teich, die Salzunger sagen See, auf dem jetzt bereits die Schlittschuhläufer hin und her fahren. Ich möchte zwar gerne mit von der Parti sein, aber aufs Eis traue ich mich denn doch noch nicht.
Alarm hatten wir sehr oft, aber S wurde nicht angegriffen. Die letzten Tage war es Gott sei Dank ruhig.
Recht herzliche Neujahrsgrüsse
und weiterhin alles Gute!
Dein Neffe
Diego
Hamburg, 5.11.45
Lieber Georg,
über Hagenow hörte ich, dass Ihr wieder in R. seid und Eure Wohnung samt Sachen ziemlich vorgefunden habt; das war ja mehr als Ihr erwarten konntet. Wie steht es sonst mit Euch? Habt Ihr Geld, habt Ihr zu essen, habt Ihr Heizung? Wir haben von dem ersten noch, das zweite und dritte ist sehr kümmerlich. Wie das werden mag? Über die Lage in Hagenow, von der Ihr ja auch Euer Teil abbekommen hattet, bin ich sehr traurig. Wie leid mir die armen alten Eltern und Hedi tun. Ich habe immer gedacht, wie es Dir und den Deinen bloss ergangen ist, aber dass die Eltern auch solch ein trauriges Los gezogen haben, das hatte ich nicht erwartet. Der eigentliche Grund meines Briefes ist folgender: Paul Brettner wandte sich bereits vor einigen Wochen auf Umwegen an mich, um mir mitzuteilen, dass er nach W. zurückzugehen beabsichtigt u. Rotraud in Kulmbach abgeholt werden müsste. Ich konnte ihm keine Nachricht zukommen lassen, dass ich R. nicht holen könne u. sie hier in H. auch nicht aufgenommen wird. Heute erhalte ich von ihm den Bescheid, dass Rotraud sich seit 22.10.45 im Erziehungsheim Fossoldshof Kr. Lichtenfels i. Bay. befindet. Vielleicht hast Du inzwischen selbst Bescheid bekommen. Sonst müsst Ihr etwas unternehmen u. Euch mit dem Heim in Verbindung setzen. Hedi schrieb mir, dass Ihr keine Nachricht über R. erhalten hättet. Unsere beiden Jungen sind wohlbehalten schon am 19.7. u. 4.8. bei uns eingetroffen. Da haben wir wirklich ein grosses Glück gehabt, dass sie uns beide erhalten geblieben sind. Diego ist im Geschäft, wo er noch als Lehrling arbeitet, Wolfgang ist leider arbeitsunfähig, da sein Fuss steif ist. Geben tut ihm niemand etwas, wir müssen ihn erhalten. Ob noch mal eine Besserung eintritt, weiss man nicht. Na, man weiss ja überhaupt nichts und die Folgen des Krieges und was sonst noch eintritt werden schlimmer sein als der Krieg selbst. Das müssen wir leider reichlich spüren. Es ist alles so masslos traurig. Und trotzdem liebt man das Leben und möchte es nicht verlieren. –
Habt Ihr Nachricht von Erich? Leben die Berliner Verwandten noch? Was machen Eure Kinder? Ist sonst alles einigermassen erträglich? Wir persönlich sind bisher ziemlich unbehelligt geblieben. Es gab Kleider- u. Wäscheabgaben für KZ Häftlinge, Fahrradablieferungen und es soll auch noch mehr kommen. Na, ja, man kann nichts dagegen machen. Etwas Fett, Zucker, Milch gab es bisher, wenig Kartoffeln u. Gemüse. Wenn Franz u. Diego nicht manchmal etwas besorgten, wüsste ich nicht, wovon wir satt werden sollten. Trotzdem hungern auch wir uns so eben durch. – Schreibt mal ein paar Zeilen.
Herzlich grüsse ich Euch alle. Wie geht es Irmgard? Deine Kläre