Mein lieber mein Vater

Heimatschuss

1944 im September wurde ich durch feindliche Granaten verwundet und kam auf verschlungenen Wegen über Hauptverbandsplatz-Reservelazarett in Königsberg an und wurde dann mit vielen anderen in einem Lazarettzug nach Thüringen in die Stadt Bad-Salzungen gefahren. Ich hatte nur Fleischwunden und keine Knochenbrüche und gehörte zu den Leichtverletzten. Das Lazarett war eine Schule und alle Zimmer waren mit Betten versehen und ein Arzt und viele Krankenschwestern versorgten uns. Einmal haben mich auch meine Eltern aus Hamburg besuchen können und waren erleichtert, mich einigermaßen heil zu sehen. Es dauerte bis Weihnachten 1944, bis ich mit Krücken einigermaßen gehen konnte. Mein linkes Bein war ganz schön in Mittleidenschaft gezogen und fast steif und auch der Fuß war kaum zu bewegen. Und es war noch immer Krieg.

Aus dem Lazarett in Salzungen konnte ich einmal meinen Bruder besuchen, er war auch verwundet und ich konnte mit der Bahn zu ihm fahren. Er hatte auch sein linkes Bein schwer beschädigt und bei ihm war es viel schlimmer als bei mir. Aber wir waren bis dahin mit dem Leben davongekommen und solche Verletzungen wie wir sie hatten, nannte man "Heimatschuss", man kam in die Heimat und brauchte vielleicht nicht wieder an die Front zurück und so kam es auch bei uns beiden. Im Januar 1945 kam ich zur weiteren Genesung nach Dänemark, und zwar nach Kopenhagen zur D-X-10-Genesungsdivision und gleichzeitig auch noch Besatzungsmacht. Voll ausgerüstet mit allen Waffen.

Wir waren in einer Autofabrik untergebracht, gearbeitet wurde dort aber nicht. Auch gehörte ein großes Sportgelände dazu. Wir mussten wieder ein wenig Dienst machen, wer ganz gesund war, durfte auch wieder an die Front nach Osten. Freiwillig bestimmt nicht, denn die alliierten Truppen hatten inzwischen fast ganz Deutschland erobert und besetzt, warum und für wen sollten wir noch kämpfen. Die Zeit verging, wir mussten sehen, dass unsere Wunden nicht zu schnell heilten, sonst wären wir in den letzten Kriegstagen noch wer weiß wohin gekommen. Nachrichten kamen nur spärlich zu uns, aber die Dänen wurden immer frecher und wollten uns am liebsten gefangen nehmen, denn wir waren ja ihre Feinde und hatten das Land lange genug besetzt und sie wollten uns gern los sein. Dann kam die Nachricht das der Krieg zu Ende ist und in der Stadt Kopenhagen wurde unsere Niederlage ordentlich gefeiert. Dann kamen die ersten englischen und kanadischen Luftlandetruppen nach Kopenhagen und diese versuchten nicht, uns gefangen zu nehmen, sie waren viel zu Wenige am Anfang.

Kurioserweise trafen wir uns in der Stadt beim Einkaufen, linke Seite Engländer, schwer bewaffnet, und rechte Seite wir deutschen Landser, auch bewaffnet, und keiner tat dem anderen etwas.Nach dem 5.April 1945 kam der Befehl zum Abmarsch nach Deutschland. Die Dänen wollten uns keine Eisenbahnen zur Verfügung stellen, eigene Fahrzeuge hatten wir nicht genug und so marschierten wir feldmarschmäßig mit voller Bewaffnung Richtung Heimat. Erst noch einmal zum Abschied durch ganz Kopenhagen, von der Bevölkerung unterschiedlich verabschiedet. Mal Schimpfen, aber auch mal Tränen, denn die Dänen waren sich auch nicht sicher, was auf sie zukommen würde. Es gab die Blauen und die Roten, die Königstreuen und die Kommunisten. Uns war alles egal, Hauptsache der Krieg war vorbei und es ging nach Hause. Wir marschierten in einer riesigen Kolonne jeden Tag ca. 40 KM, es war ein schöner warmer Frühling und bald mussten wir nachts marschieren, weil es am Tage schon zu warm wurde. Am gr. Belt angekommen haben wir schon mal kurz gebadet. Die meisten Ausrüstungsgegenstände hatten wir schon nach und nach weggeschmissen, nur noch das Gewehr und Brotbeutel und den Tornister mit Privatsachen. Auf der Fähre dann warfen die meisten auch noch die Karabiner in die Ostsee, da liegen sie noch heute.