Mein lieber mein Vater

TK 01

Sturmflut

Diego:

Hallo liebe Kinder!

Aufgrund Eurer telefonischen Nachfrage werden Omi und auch ich versuchen, einen Nachtrag zu unseren Berichten und zu den offenen Fragen zu Papier zu bringen. Es macht uns nach wie vor großen Spaß in der Vergangenheit zu kramen.

Ich habe vor 2 Wochen ein paar neue Farbbänder für unsere beiden Schreibmaschinen bestellt, aber leider sind diese scheinbar schwer zu beschaffen, denn unsere Maschinen sind schon 18 bzw. 13 Jahre alt. Aber ein paar Seiten werden wohl noch mit den letzten Bändern möglich sein. Zur ersten Nachfrage "Flutkatastrophe" habe ich folgende Erinnerung: Es war der 16.2.1962, ein Freitag, ich war bei Fa. P. F. Hannemann in der Bürgerweide damals als Kraftfahrer tätig, im Angestelltenverhältnis, wie auch vorher bei der Fa. A. Dietrich, und es war Sturmflutwarnung, aber bei Nordweststurm nichts Besonderes. Wie hatten noch lange kein Fernsehen, aber Radio. Ich weiß noch, dass die große Wohnzimmerscheibe ganz schön zitterte, so schlimm war der Sturm und es war sehr kalt mit Schneeregen, so richtiges Hamburger Sauwetter.

Am Sonnabend-Morgen war Hochwasser-Alarm in den Radio-Nachrichten, Flohmarkt und Hafen überschwemmt. Für uns eigentlich nichts Ungewöhnliches. Ich wollte selbst mal sehen wie hoch das Wasser am Hafen sein würde und ging, wie auch sonst oft zu Fuß, Richtung Innenstadt und kam aber nur bis zum Rathausmarkt, am Rödingsmarkt stand das Wasser schon vor dem Ubahnschacht, die 0stweststr. war teilweise überschwemmt. Ich ging dann noch Richtung Elbbrücken, aber am Heidenkampsweg war keine Überschwemmung mehr zu sehen. Über Berlinertor ging ich nach Haus und im Radio war dann schon über die schlimmen Folgen in Wilhelmsburg zu hören. Bei uns in der Carl-Petersen-Str. war weiter nichts zu merken, aber der elektr. Strom fiel manchmal aus, es war das eine Kraftwerk in Tiefstack überschwemmt und somit ausgefallen. Es wurden immer einige Stadtteile abgeschaltet, dann ging auch die Ölheizung nicht, wegen der elektr. Pumpe, auch Kochen und Baden ging dann nicht, man musste warten, bis es wieder Strom gab.

Inzwischen war Sonntag und mein Vater (Franz Bangis) war bei uns zum Mittag-Essen, wie jeden zweiten Sonntag, seit dem Tode meiner Mutter 1961, um ihm den erlittenen Verlust etwas zu erleichtern, da er nun alleine lebte. Hilku hatte das Essen auf dem Herd und wartete, bis es wiedermal Strom gab. Es klappte sogar und es gab richtiges Mittagessen. Die Nachrichten im Radio brachten immer schlimmere Ereignisse der vergangenen Nacht bekannt, viele Tote und Obdachlose waren zu beklagen. Unser damaliger Innensenator Helmut Schmidt leitete die Rettungs- und Bergungs-Aktionen (später wurde er Bundeskanzler).

Die Firma Hannemann hatte sehr viele Kleinhändler (Tante-Emma-Läden) als Kunden, auch in Wilhelmsburg. Als ich nun am Montag (19.2.1962) zur Arbeit kam, war schon große Aufregung. Ich sollte eigentlich am Sonnabend und am Sonntag zur Arbeit kommen, da man mich aber telefonisch nicht erreichen konnte, wir hatten ja erst viel später ein Telefon beantragt, war daraus nichts geworden. Man hätte ja mal schnell einen Kollegen rumschicken können, es waren von der Bürgerweide ja nur ein paar hundert Meter zu uns in die Carl-Petersen-Str., aber daran hat wohl keiner gedacht. Unsere Fahrer mussten die Krankenhäuser und Altersheime zusätzlich mit Lebensmitteln versorgen, auch schon am Sonnabend und Sonntag. So ging es nun die ganze Woche weiter, die Krankenhäuser und auch Kinderheime und K,1xJ%{7yx/fÄ1šlšfl/// meine Maschine spielt verrückt!

Also, Heime und Krankenhäuser hatten Obdachlose und Verletzte aufgenommen und brauchten große Mengen von Lebensmitteln aller Art. Die Firma ist in der Zeit alle Ladenhüter und Restbestände losgeworden. Die Geschäfte in Wilhelmsburg waren zum größten Teil bis unter die Ladendecke im Wasser und alle Lebensmittel, auch in den Vorratskellern, auch Konserven verseucht und unbrauchbar geworden. Die Menschen in den oberen Stockwerken waren auch von der Außenwelt abgeschnitten und wurden mit Boten versorgt, Strom und Heizung waren auch außer Betrieb. Die Versorgung übernahmen zum Teil Großküchen verschiedener Organisationen, auch der Hamburger Schulverein wurde grm/ømøßelfleyert von uns beliefert (meine schöne alte Maschine will nicht mehr).

Für heute letzter Versuch!

Als Folge der Jahrhundertflut wurden in Hamburg die Deiche erhöht und im Hafen die Sperranlagen verbessert und zum Teil neu gebaut, z. B. am Fischmarkt. Knapp 10 Jahre später hatten wir schon wieder eine sogar noch höhere Sturmflut, aber die neuen Deiche hielten Stand. Soviel zur Flut 1962.

Als wir 1959 in die neue Wohnung Carl-Petersen-Str. einzogen, gab es dort noch einige bewohnte Hinterhäuser, sog. Terrassenhäuser, und auf unserem Grundstück war ein Durchgang zu diesen Häusern, später wurde eine Stichstraße zu den Häusern von der Palmerstr. gebaut, sodass kein Weg durch unser Grundstück mehr nötig war. Darauf baute die Firma Folkmann ein paar Garagen und Materiallager für seine Kacheln und Fliesen dort und als der Pleite war kamen bescheidene Händler zu der Nutzung dieser Schuppen. Dann hat die Post dies Gelände für einen Parkplatz erworben und die Schuppen wurden abgerissen. Das große Haus der Post hinten links wurde zu dem jetzigen Wohnheim umgebaut. Es war nie langweilig 'jqwxb öq-xbxi hinter unserem Grund

Meine Maschine streikt schon wieder und so mach ich erst mal Schluss heute. Morgen ist Feiertag und im Laufe der Woche melden wir uns wieder.