Mein lieber mein Vater

TK 18

Schluss

Hilku:

Wir haben immer nach dem Motto gelebt, dass man aus allem das Beste machen sollte. Alles kann man auch heim besten Willen nicht beeinflussen, aber man kann sich Ziele setzen und versuchen, sie zu erreichen. Manchmal kommt es dann allerding doch anders, als wir gedacht hatten. So haben wir 38 wunderschöne Jahre in der Carl-Petersen-Straße gewohnt und wollten auch niemals dort ausziehen, aber es sollte nicht sein. Nach zwei Knie-Operationen konnte ich die Treppen zum 3. Stock nicht mehr bewältigen. Der Arzt drängte dringend auf Abhilfe. Er sagte, dass Treppen Gift für mich wären, und dann wäre das Hamburger Klima für mich auch nicht gut. Der Deutsche Wetterdienst empfahl uns Ansbach.

Hier haben wir nun eine wunderschöne Wohnung gefunden, die unsere Erwartungen in jeder Beziehung übertroffen hat. Eine 3-Zimmerwohnung, ebenerdig, mit Terrasse und Garten, in ruhiger Gegen fast am Stadtrand, aber doch in der Nähe der Altstadt. Die Einkaufsmöglichkeiten sind zu Fuß zu erreichen und auch der Wald fängt fast hinter dem Haus an. Für mich ist also bestens gesorgt, da auch die benötigten Ärzte in gut erreichbarer Nähe sind. Da ja nur mein Knie nicht in Ordnung ist, wir aber sonst gesund sind, können wir ab und zu mal verreisen, mit der Bahn, dem eigenen Auto oder dem Dampfer.

1976 hatten wir unsere Silberhochzeit. Da die Verwandten und Freunde aus der DDR nicht in den Westen durften, wollte ich wegen der Gerechtigkeit auch nicht mit den westlichen Angehörigen feiern. Stattdessen haben wir uns für das Geld eine Ostsee-Kreuzfahrt unternommen. Mit der MS Mikhail Lermontov, gebaut in Wismar, fuhr unter russischer Flagge mit russischem Personal. Aber man sprach deutsch, Bordwährung DM.

Die Reise begann in Bremerhaven und dauerte vom 31.7. - 14.8.1976. Es ging zunächst nach Oslo, dann nach Leningrad (jetzt wieder St. Petersburg) - Turku in Finnland - Stockholm – Visby auf Gotland - Kopenhagen und wieder nach Bremerhaven zurück. Es war eine wunderbare Reise. Der Dampfer ist übrigens später vor Australien untergegangen.

Im Oktober 1990 haben wir eine Flusskreuzfahrt gemacht. Von Hamburg mit dem Bus nach Passau. Dann per Dampfer auf der Donau bis nach Budapest und zurück nach Passau, natürlich mit Zwischenstopps. Im Juli 1998 haben wir, zusammen mit Tante Martha, eine 4-Flüsse-Dampferfahrt gemacht, und zwar auf der Saar, Mosel, Rhein und Neckar und im Oktober 2002 eine Fahrt von Passau die Donau aufwärts, durch den Rhein-Main-Donau-Kanal in den Main bis Würzburg. Das waren alles unvergessliche Erlebnisse. Dazwischen haben wir immer wieder kleinere und größere Reisen gemacht. Und nicht zu vergessen, am 11. August 2001 haben wir in Lautenthal im Harz unsere Goldene Hochzeit gefeiert.

Liebe Marie, Du willst wissen, ob unser Leben bis jetzt so gewesen ist, wie wir es uns gewünscht haben. Dazu kann ich nur sagen: es war schöner, als wir es zuerst erträumt hatten. Und wir hoffen, dass das noch einige Jahre so bleibt. Der Opa hat ja schon von der Flutkatastrophe geschrieben. Ergänzend möchte ich noch sagen, dass es furchtbar war. Ich habe damals bei Nestle gearbeitet. Ein Kollege, der Bernd Müller, wohnte auch in Wilhelmsburg und konnte uns, nachdem er wieder in die Firma kommen konnte, vieles aus eigener Anschauung berichten.

Kein Mensch hatte damit gerechnet, dass es so schlimm ausgehen könnte. Der Bernd wohnte mit seinen Eltern in einem mehrstöckigen Mietshaus. Ihm ist nichts passiert, die Leute aus den unteren Stockwerken zogen mit Matratzen und anderen wichtigen Sachen nach oben. Die Hilfsbereitschaft unter den Menschen war ja groß. Da die Männer früher ihren Lohn am Freitagabend ausgezahlt bekamen (Girokonten für Arbeitnehmer gab es damals noch nicht), gingen die Frauen gewöhnlich sonnabends einkaufen. Das war aber nun in Wilhelmsburg nicht mehr möglich. Da haben die jungen Leute aus Brettern und ausgehängten Türen ein Floß gebaut und sind damit zu den Lebensmittelläden gepaddelt um zu holen, was noch brauchbar war.

Die Firma Nestle schickte Lebensmittel, vor allem auch Kindernahrung, Milchpulver usw. Jeder versuchte zu helfen. Schlimm waren die Menschen dran, die in ihren kleinen Häuschen direkt am Deich wohnten. Niemand hatte ja damit gerechnet, dass einmal so eine große Überschwemmung eintreten würde. Als die Polizei die Bewohner in der Siedlung aufforderte, ihre Häuser zu räumen, wollten die meisten dort nicht weg. Ihrer Meinung nach konnte ja nichts passieren, Hamburg ist ja so weit von der Nordsee entfernt.

Als dann aber der Deich brach und die Flut alles überschwemmte, mussten über 300 Menschen ihr Leben lassen. Viele, die sich noch auf die Dächer und auf Bäume retten konnten, wurden von Booten und Hubschraubern der Bundeswehr sowie englischen Einheiten eingesammelt. Bernd Müller suchte sein Auto und fand es oben in einem Baum. Es hat lange gedauert, bis alles wieder in Ordnung war.

Dann interessiert Euch das Bergbild:  wir waren damals mit der Bahn nach Schleching-Ettenhausen gefahren (Wir haben immer "Entenhausen" gesagt.). Da gab es zwei Hausberge: den Breitenstein und den Geigelstein. Wir haben beide bezwungen, gleich in den ersten Tagen, wir waren noch nicht an die dünnere Luft gewöhnt.

Als Marie noch nicht zu Schule ging, hatten wir sie ja manchmal für längere Zeit bei uns in Ansbach zu Besuch. Einmal sind wir zum Altmühlsee zum Baden und Schwimmen gefahren. Da haben wir auch eine Rundfahrt mit dem Dampfer gemacht. Das war für die Kinder ein ganz tolles Erlebnis. Der Kapitän, ein noch jüngerer Mann, war sehr kinderlieb. Jedes Kind durfte mal ans Ruder, es bekam die Kapitänsmütze aufgesetzt und musste nun den Dampfer steuern. Außerdem war noch ein Papagei an Bord, gleich neben dem Steuerrad. Das war natürlich ein Erlebnis.

Einmal waren wir alle zusammen in Nördlingen im Nördlinger Ries, sind einmal auf der Stadtmauer ringsherum gegangen. Anschließend wurde noch der Kirchturm (der Lange Daniel) bestiegen. Und die Burg Colmberg wurde von innen und außen besichtigt. Es gab eigentlich immer was Schönes zu erleben. Und wenn es das Füttern der Rehe mit Kastanien und Äpfeln war. Oder die zwei Pfauen, die dort umherliefen.

Das schönste Erlebnis für Marie war dann die Fahrt mit dem Wohnmobil von Ansbach an die Ostsee. Das Ganze war eigentlich gar nicht geplant, es hat sich einfach so ergeben. Wir hatten Marie am Anfang der Ferien im August 2000 hier in Ansbach, weil der Papa noch arbeiten musste. Wenn der Papa dann Urlaub hatte, wollten wir ebenfalls nach Rerik an die Ostsee kommen, wo wir dann zusammen ein paar Tage verleben wollten, bis wir wieder nach Hause mussten.

Nachdem wir dann vergebens ein Zimmer oder eine Ferienwohnung suchten, war guter Rat teuer. Irgendwie mussten wir ja nach Rerik, um unsere Enkelin bei den Eltern abzuliefern. Da kam uns die Idee mit dem Wohnmobil. Wir mieteten ein solches und traten dann die Reise nach Norden an. Es war Sommer, die Sonne schien und wir steckten mehr im Stau als dass wir fuhren. Freitagabend um 22 Uhr fuhren wir bei Regen in Ansbach los und am Samstag nachmittags um 14.30 Uhr kamen wir endlich am Ziel an. Einen Stellplatz hatten wir vorher noch bestellen können, so dass alles ok war.

Für Marie war die Fahrt natürlich toll, wenn auch ein wenig langweilig. Wann sind wir da und wie lange dauert es denn noch, waren die häufigsten Fragen. Andererseits waren wir froh, dass wir alles bei uns hatten, wie WC und Wohn- und Schlafraum. Der Alkoven war Maries Reich. Da wollte sie niemand anderen haben. Ich hätte ja sowieso nicht hinauf gekonnt. Denn Leitern kann ich nun mal nicht mehr besteigen.

Als wir dann endlich in Rerik ankamen, waren die Strapazen der langen Reise vergessen. Nach zwei Tagen kamen dann die Eltern und wir mussten uns langsam verabschieden, weil wir das Wohnmobil nur für eine Woche gemietet hatten.

Liebe Marie, wenn Ihr noch irgendwelche Fragen habt, dann sagt es nur. Mir fällt so schnell nichts mehr ein.

Für heute senden Dir und Deinen Eltern herzliche Grüße