Lebenslauf – Jahrgang 1925 – Deutschlands letzte Hoffnung
Nach alter Väter Sitte sollte jeder Mann drei Dinge im Leben tun: ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und ein Kind zeugen. ich versuche ein viertes: ein Buch schreiben. Sollte es gelingen, widme ich es meiner Enkeltochter Marie. Die ersten drei Dinge betrachte ich als geschafft und so mache ich mich an die vierte Aufgabe, meine Lebensgeschichte, obs ein Buch wird werden wir sehen.
Liebe Marie, dieses Buch, wenn es eines wird, soll Dir mein langes Leben erzählen und Dir zeigen, dass nicht alles immer so war wie es heute war. Einen kleinen Überblick hast Du ja schon für Deine Schulaufgabe, das Oma-und Opa-Buch von uns erfahren. Früher, so vor ca. 80 Jahren, als ich das Licht der Welt erblickte, gab es kein Radio und kein Fernsehen und nur wenige reiche Leute hatten ein Telefon. Auch gab es wenige Autos, aber noch viele Pferdefuhrwerke auf den Straßen. Dieser Zustand ist Deiner Generation wohl kaum vorstellbar. In dieser guten alten Zeit bin ich am 29. Dezember in Hamburg geboren worden. Meine Mutter war die Ehefrau des kaufm. Angestellten Franz Bangis, der aus Oberschlesien stammte und nach dem ersten Weltkrieg (1914 - 1918) in Hamburg leben und arbeiten wollte. Mein Vater war 1886 in Oberschlesien geboren worden und mit 3 Geschwistern aufgewachsen, 2 Schwestern und einem Bruder. Meine Mutter war aus Mecklenburg nach Hamburg gekommen um zu heiraten, denn sie hatte sich in den Vati verliebt. Sie war 1890 in Mecklenburg auch mit zwei Schwestern und einem Bruder aufgewachsen und hatte den Namen Clara erhalten. Der Familienname war Sambach. Clara fand sie nicht so schön und sie nannte sich immer Cläre oder Clärchen. Meine Eltern hatten in Hamburg in der Papenhuder Straße nur ein Zimmer zur Untermiete, und da ich das zweite Kind war wurde es zu klein dort und meine Eltern zogen mit meinem Bruder Wolfgang und mit Sack und Pack nach Barmbeck in die Lämmersieht Nummer 5 . Mein Bruder Wolfang war 2 Jahre älter als ich und war am 22. März 1923 auch in Hamburg geboren. In Barmbeck hatten meine Eltern eine kleine 2-Zimmerwohnung und dort begann dann meine Jugendzeit an die ich mich auch ganz gut erinnern kann.
Liebe Marie
dies Buch, wenn es eines wird, soll Dir mein Leben erzählen und Dir zeigen, daß es nicht immer so war wie heute. Einen kleinen Teil hast Du ja schon für Deine Schule zum Oma-und-Opa-Buch von uns erfahren. Aber war ja alles viel schöner, aber auch viel schlimmer, als man es in kurzen Worten schildern kann. Für mich begann es in Hamburg in der Finkenau. Dort kamen fast alle Hamburger Babies auf die Welt, auch Dein Vater – aber viel später.
Ich erblickte dort also am 29.12.1925 das Licht der Welt, sogar 2 Monate zu früh, denn ich war ein 7-Monats-Kind und sehr klein und schwach. Aber ich war nicht das erste Kind meiner Eltern, ich hatte schon einen Bruder, den Wolfgang. Er war größer und dicker und schon 2 ½ Jahre alt. Ich wohnte mit meinen Eltern und meinem Bruder in 2 Zimmern in der Papenhuder Straße zur Untermiete. Dort waren meist große Wohnungen mit 5-7 Zimmern. Es wurde uns dort bald zu eng und mit der gemeinsamen Küchenbenutzung klappte es auch nicht so gut. Ich selbst weiß davon noch nichts und wurde sogar schwer krank und kam in ein Kinderkrankenhaus und wurde operiert und wieder gesund und meinen Eltern ein zweites Mal geschenkt, worüber alle sehr glücklich waren! Wir zogen dann in die Lämmersieth # 5 in Barmbek und wie es dort war, daran kann ich mich sehr gut erinnern. Mein Vater war Angestellter bei der großen Wäscherei Tesdorp am Tieloh und Mutter war zu Hause bei uns Kindern. Wir hatten eine 2-Zimmer-Wohnung, aber eine mit Küche und Toilette und brauchten nicht mit fremden Leuten zu teilen.
Mein Vater war aus Oberschlesien, wo er nach der Oberschule eine kaufmännische Ausbildung gemacht hat, die man damals noch selbst bezahlen mußte. Als sogenannter Volontär war man noch auf die elterliche Unterstützung angewesen. Da sein Vater aber ein sehr tüchtiger Mann war, konnte Vater seine Ausbildung abschließen und selbst Geld verdienen. Dann kam der 1. Weltkrieg 14 – 18 und Vater wurde Soldat und nach kurzer Dauer zum Leutnant und Zugführer befördert. Nein mein Kind, kein Lokomotivführer, sondern zuständig für eine Gruppe Soldaten, etwa 30 Mann, die eine kleine militärische Einheit bildeten. Vater kam dann nach einem englischen Gasangriff in englische Gefangenschaft und erzählte oft, wie er dort aus seiner Vergiftung wieder aufwachte und von einem englischen Arzt gefragt wurde: Von was leiden Sie? Darauf will Vater nur gesagt haben: Hunger. Hunger, Herr Stabsarzt.